Allgemeinmedizin: „Wer das einmal erlebt hat, ist fasziniert“

Berlin – Vom Start mit 25.000 D-Mark bis hin zu 1.360 Forschungspraxen: Diese Entwicklung im Fach Allgemeinmedizin wurde Anfang der Woche beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) für das Fach nachgezeichnet.
Während die Stiftung sowie die Entwicklung von allgemeinmedizinschen Instituten an den Hochschulen in den ersten Jahrzehnten nur langsam voran ging, ist das Interesse am Fach seit Mitte der 2010er-Jahre deutlich gestiegen. „Die Vision der Gründer der Stiftung Allgemeinmedizin aus dem Jahr 1974 ist heute deutlich übertroffen“, sagte Ferdinand Gerlach, Vorsitzender der DESAM.
Seit 1972 forderten viele Ärztetage allgemeinmedizinische Lehrstühle und Institute an deutschen Hochschulen. Der erste Lehrstuhl wurde dann 1976 an der Medizinischen Hochschule Hannover eingerichtet. Allerdings war die Arbeit an der Stiftung viele Jahre „auf kleiner Flamme“, wie es Gerlach bezeichnete. 2015 wurde auf seine Initiative hin die Stiftung mit Geschäftsstelle sowie Geschäftsführung wieder neu aufgestellt und inhaltlich erweitert.
Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) bietet die DESAM nun Nachwuchsakademien und Summerschools für angehende Allgemeinmediziner an. Auch gibt es unter dem Dach der DESAM nun eine Initiative von sechs Forschungspraxisnetzen, in denen allgemeinmedizinische Forschung auch im Praxisalltag stattfindet. Bei diesem Netzwerk, DESAM-Fornet, sind 23 allgemeinmedizinische Universitätsstandorte sowie derzeit 1.360 Forschungspraxen eingebunden.
Heute müsse „keiner sich mehr Sorgen um das Fach machen“, sagte der derzeitige Präsident der DEGAM, Martin Scherer. Für die Zukunft sieht er vor allem die Arbeit am Patienten als Herausforderung an: „Wir sind in der Forschung inzwischen sehr gut aufgestellt, auch in der Lehre. Die Arbeit am Patienten wird in den kommenden Jahren eine Herausforderung, da die digitale Transformation den Praxisalltag noch lange nicht erfasst hat“, so Scherer.
Auch bei den Themen Ambulantisierung sowie bei Fragen der Weiterbildung werde sich in den kommenden Jahren vieles verändern. „Da muss man im Kopf und bei der Definition des Faches flexibel bleiben und hoffen, dass Amazon nicht jeden Arztsitz aufkauft“, sagte er.
Um das Fach attraktiv zu halten, müsse schon zu Beginn des Studiums noch viel mehr Werbung für die Allgemeinmedizin gemacht werden. „Wer das einmal erlebt hat, der bleibt, da ist man fasziniert“, sagte Hans-Dieter Klimm, der vor 50 Jahren die DESAM mitgegründet hatte.
Der heute 84-Jährige sei noch täglich in der Praxis, die inzwischen von seiner Tochter und dem Schwiegersohn geführt werde. Vor 50 Jahren sei die Stiftung „mangels Masse“ bei Ärztinnen und Ärzten kaum Aktivitäten der Stiftung möglich gewesen, berichtete er.
Deutlich jünger ist Lena-Sophie Lehmann, die derzeit in Jena Medizin studiert. „Es müssen viel mehr die Lebenswege vorgestellt werden, die man in der Allgemeinmedizin gehen kann. Außerdem muss deutlich werden, wie breit das Fach aufgestellt ist“, sagte die 23-Jährige. Sie plant in zehn Jahren eine Niederlassung auf dem Land, gerne in ihrem Heimartort in Thüringen.
Für Rebekka Preuß, die seit 2021 in der Nähe von Greifswald als Hausärztin niedergelassen ist, muss sich der Stellenwert, den Hausärzte in der Bevölkerung haben, auch in der Politik widerspiegeln. „Wir werden vor Ort als zentrale Stelle gesehen, und das müsste sich auch auf der politischen Ebene wiederspiegeln“, so Preuß.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: