Ärzteschaft

Angestellte Ärzte fühlen sich mehrheitlich überlastet

  • Donnerstag, 6. Februar 2025
/taa22, stock.adobe.com
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Berlin – Mehr als die Hälfte der angestellten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland fühlt sich überlastet. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Marburger Bundes (MB). Zudem erwägt mehr als ein Viertel der befragten Mediziner, ihren ärztlichen Beruf ganz aufzugeben.

Über eine häufige Belastung auf der Arbeit klagen demnach 49 Prozent der befragten Ärzte, elf Prozent erklären sogar, dass sie ständig über ihre Grenzen gehen. Dieser Umstand hängt unter anderem an der meist unzurei­chend wahrgenommenen ärztlichen personellen Besetzung. 59 Prozent der Befragten sagen, dass diese schlecht oder eher schlecht sei.

Auf die Frage, ob man erwäge, die ärztliche Tätigkeit in der Patientenversorgung ganz aufzugeben, antworten 28 Prozent der Befragten mit ja. 2022 lag dieser Wert etwas geringer bei 25 Prozent. „Das zeigt uns, dass der Fach­kräfte- und Ärztemangel noch viel größer werden könnte“, erklärte dazu heute die erste Vorsitzende des MB, Susanne Johna.

Als Gründe für diese Überlegungen nannten die Befragten an erster Stelle die hohe Arbeitsbelastung. Für viele widerspreche die Arbeitsrealität außerdem dem eigenen Anspruch an den Beruf.

Aber auch Gründe, wie etwa zu wenig Zeit für Patienten zu haben, bessere Konditionen außerhalb der kurativen Medizin vorzufinden oder gesundheitliche Beeinträchtigungen spielen für diese Überlegungen eine wichtige Rolle, zeigt die Umfrage. Zudem fehle es oft an Wertschätzung oder auch an Weiterbildung, ergänzte Johna die Antworten der Befragten.

Ärzte arbeiten im Durchschnitt 49 Stunden wöchentlich

Zudem arbeiten angestellte Ärztinnen und Ärzte der Umfrage zufolge viel und deutlich mehr als sie eigent­lich wollen. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten leistet etwa fünf oder mehr Überstunden pro Woche. Und mehr als die Hälfte arbeitet mehr als 49 Stunden, 15 Prozent sogar zwischen 60 und 79 Stunden und zwei Prozent mehr als 80 Stunden pro Woche.

Durchschnittlich sind angestellte Ärzte demnach 49 Stunden pro Woche beruflich tätig. Bevorzugt würden die Befragten hingegen jedoch mehrheitlich 30 bis 39 Stunden (43 Prozent) oder 40 bis 48 Stunden (39 Prozent) wöchentlich arbeiten.

Ein großes Problem sei zudem, dass sie täglich viel Zeit für Dokumentation und Verwaltungstätigkeiten aufwen­den müssen. Mehr als die Hälfte der Befragten benötigt der Umfrage zufolge täglich mehr als drei Stunden für Dokumentationsaufgaben. Aufgrund der vielen Dokumentationsaufgaben könnten sich knapp zwei Drittel (63 Prozent) vorstellen, einen Teil ihrer Tätigkeit aus dem Home Office zu erledigen.

Wie hoch der Anteil von Ärztinnen und Ärzten ist, die tatsächlich bereits einige Stunden pro Woche im Home Office arbeiten können, hat der MB-Monitor nicht abgefragt. „Wir gehen aber davon aus, dass es sich noch um die absolute Ausnahme handelt und nur gelegentlich stattfindet, etwa in der Zeit einer Schwangerschaft“, erklärte Johna.

Problematisch ist der Umfrage zufolge darüber hinaus eine unzureichende IT-Ausstattung. Etwa zwei Drittel (65 Prozent) sind mit der IT-Ausstattung am Arbeitsplatz eher unzufrieden oder unzufrieden. Entsprechend brauche es eine bessere Ausstattung sowie eine Entlastung von Dokumentationsaufgaben, forderte Johna. Gut läuft der Umfrage zufolge hingegen die Arbeit im Team. Die deutliche Mehrheit (86 Prozent) beurteilt die Arbeit im Team als sehr gut oder eher gut.

Teilzeitanteil steigt

Der Umfrage zufolge arbeiten zudem mehr Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit als noch vor einigen Jahren. Gut ein Drittel (36 Prozent) der Befragten arbeitete 2024 in Teilzeit, 2013 lag dieser Anteil noch bei 15 Prozent.

Allerdings ist mit Teilzeit auch gemeint, wer weniger als 39 Stunden arbeitet. 65 Prozent aller teilzeittätigen Ärzte arbeiten zwischen 29 und 39 Stunden. „Die 80-Prozent Stelle wird immer beliebter“, so Johna. Damit hätten Ärztinnen und Ärzte einen freien Tag in der Woche, an dem sie keine Überstunden in der Klinik machen könnten.

„Weil die Arbeitszeit so hoch ist, ist es umso wichtiger, dass sie korrekt erfasst wird“, erklärte Johna. Die Zahlen an Arbeitsorten, an denen die Arbeitszeit elektronisch erfasst wird, nehmen zu. Vor allem bei den kommuna­len Krankenhäusern gebe es diese Art der Zeiterfassung bereits. Die Unikliniken hingen hinterher und zeigten bis­lang wenig Bemühungen, dies umzusetzen, sagte der zweite MB-Vorsitzende Andreas Botzlar.

Eine elektronische Arbeitszeiterfassung sei nur bei etwa 43 Prozent der Befragten möglich. Knapp ein Viertel (24 Prozent) kann seine Arbeitszeit nicht erfassen.

Auswirkungen der Krankenhausreform auf ärztliche Arbeitsbedingungen

Im Hinblick auf die anstehende Umsetzung der Krankenhausreform und entsprechenden Einfluss auf die Arbeits­bedingungen von Ärzten, erklärte Johna, dass der MB ein Freund von „größeren Abteilungen“ sei.

In diesen müssten Ärztinnen und Ärzte weniger Wochenenddienste und weniger nachts arbeiten, weil sich diese Schichten auf mehrere Schultern verteilen könnten. Zur Erklärung: Die Krankenhausreform sieht eine Konzen­tration und Spezialisierung von Krankenhausstandorten vor.

Allerdings warnte Johna auch davor, zu schnell mit der Abrissbirne Klinikstandorte zu schließen. Denn die auf der anderen Seite benötigten Aufbaukapazitäten an Kliniken dauere, die Patienten von geschlossenen Krankenhaus­standorten lösten sich nicht in Luft auf, sondern müssten weiter versorgt werden. Deshalb sehe der MB insbe­sondere die Übergangszeit bis die Krankenhausreform wirke kritisch.

Auch die geplante Vorhaltefinanzierung der Reform, die auf das bestehende diagnosebezogene Fallpau­schalen­­system (DRG) ein weiteres aufsetzt, werde zu einem Anstieg des bürokratischen Aufwands führen, ergänzte Botzlar.

Der MB-Monitor wird alle zwei Jahre erhoben und stellt meist die gleichen Fragen, um einen zeitlichen Verlauf erkennen zu können. 9.649 Ärztinnen und Ärzte haben den aktuellen MB-Monitor zwischen dem 27. September und 27. Oktober 2024 beantwortet.

90 Prozent der Befragten arbeiten in Akutkrankenhäusern und Rehakliniken, acht Prozent in ambulanten Ein­richtungen. Die Umfrage wurde an knapp 44.000 MB-Mitglieder versandt und vom Institut für Qualitäts­messung und Evaluation (IQME) durchgeführt.

cmk

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