Johna warnt vor hunderten Krankenhausschließungen

Berlin – Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass es hierzulande in zehn Jahren ein paar Hundert Krankenhäuser weniger geben wird, kritisierte die erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna scharf. Wenn der Minister etwa von 300 oder 400 Kliniken ausgehe, spreche man grob geschätzt von jedem vierten allgemeinen Krankenhaus, das schließen werde, sagte sie gestern auf der 144. Hauptversammlung des Marburger Bundes.
Dies sei aus vielerlei Hinsicht gefährlich. Es sei zu befürchten, dass die Schere zwischen der Gesundheitsversorgung im städtischen und ländlichen Bereich weiter auseinandergehen werde, so Johna. Denn die Schließungen werden voraussichtlich vor allem die kleinen Krankenhäuser treffen. „Eine funktionierende medizinische Daseinsvorsorge darf aber nicht vom Wohnort abhängen, sondern muss überall in Deutschland gewährleistet sein“, forderte Johna.
Zudem bedeute die Schließung von Krankenhäusern immer Kündigungen von Ärztinnen und Ärzten, dem Pflegepersonal sowie weiteren Berufsgruppen. Damit würden Verhandlungen und die Finanzierung eines Sozialplans zusammenhängen, es koste außerdem viel Geld Strukturen abzubauen. Johna bezweifelte, dass dafür die Gelder des geplanten Transformationsfonds ausreichen werden.
Dieser soll Umstrukturierungen im Rahmen der Krankenhausreform im Zeitraum von 2026 bis 2035 mit bis zu 50 Milliarden Euro unterstützen. Die Delegierten der Hauptversammlung forderten in einem beschlossenen Antrag alle Akteure im Gesundheitswesen auf, dafür Sorge zu tragen, dass im Transformationsprozess im Rahmen der Krankenhausreform keine Fachkräfte der Patientenversorgung verloren gehen.
Es sei darüber hinaus höchst fahrlässig, Kapazitätsabbau zu betreiben, ohne ausreichend Reservekapazitäten für Katastrophenlagen zu berücksichtigen, betonte Johna. „Es scheint, als wäre die Pandemie schon vergessen, es scheint, als würde man verdrängen, dass Cyberangriffe zunehmen, und – viel schlimmer –, dass der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine weiterhin zu mehreren 100 Verletzten und Toten pro Tag führt“, warnte Johna. Diese Punkte würden in der Krankenhausreform nicht berücksichtigt. Man könne die Versorgung der Bevölkerung aber nicht nur anhand von „Schönwetterlagen“ ausrichten.
Stattdessen müsse man sich planerisch auf Katastrophenszenarien vorbereiten und gleichzeitig alles dafür tun, dass entsprechende Pläne nie aus der Schublade geholt werden müssten. „Niemand soll sagen können, die Notwendigkeit von Reservekapazitäten habe man nicht vorhersehen können“, sagte Johna.
Kaum Planungssicherheit für Kliniken
Hinsichtlich der Krankenhausreform hätte sie gehofft, dass sich die Regierung zu einer grundlegenden Reform der Krankenhausfinanzierung entschließe, die den Kliniken mehr Planungssicherheit bringe und wirtschaftlichen Druck von der Versorgung nehme. „Das jetzt vorliegende Ergebnis wird diesem Anspruch leider kaum gerecht.“
Dennoch seien kurz vor dem Beschluss der Krankenhausreform im Bundestag noch einige positive Änderungen eingebracht worden, allen voran der Plan, das ärztliche Personalbemessungsinstrument der Bundesärztekammer (BÄK) einzuführen. „Das ist ein riesiger Erfolg“, erklärte sie und erntete Applaus von den Delegierten.
Die Konsequenz der Einführung von ÄPS-BÄK wäre zudem, dass Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung erstmalig numerisch erfasst werden würden, so Johna. „Das spielte vorher gar keine Rolle.“ Auch die geplante Finanzierung der Weiterbildung begrüßte Johna. Dazu forderte die Hauptversammlung den Gesetzgeber per Antrag auf, den Marburger Bund und die Bundesärztekammer als Vertretungen der Ärztinnen und Ärzte bei der Ausgestaltung der Finanzierung der Weiterbildung gleichberechtigt zum Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), dem Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu beteiligen.
Vorhaltefinanzierung neu aufstellen
Neben diesen positiven Aspekten, die die Krankenhausreform vorsehe, sei die fallzahlabhängige Vorhaltefinanzierung nach wie vor zu kritisieren, so Johna. Dazu beschlossen die Delegierten ebenfalls einen Antrag, der den Gesetzgeber auffordert, diese zu korrigieren. Die Vorhaltefinanzierung müsse stärker am Versorgungsbedarf orientiert werden, heißt es in dem Antrag. „Die Komplexität der Verschränkung von Fallpauschalen alter Prägung und neuen Vorhaltepauschalen mit Fallzahlbezug wird nicht dazu führen, dass bedarfsnotwendige Krankenhäuser in der Fläche ausreichend gegenfinanziert sind.“
Eine Vorhaltevergütung sollte aber die erforderlichen Strukturen für die Leistungserbringung finanzieren, insbesondere die patientennahe Personalausstattung. Der MB setzt sich daher dafür ein, die geplanten Regelungen gänzlich zu überarbeiten und eine fallzahlunabhängige Systematik zu entwickeln. Ein weiterer Antrag zu diesem Thema schlägt vor, die Finanzierung der Vorhaltekosten anhand von Energiekosten, Wasser, Abwasser, Entsorgung, Versicherungen, Gebäudemanagement und Personalkosten zu berechnen. Diese Kostengruppen seien in allen Kliniken gleich.
Johna kritisierte weiter, dass Minister Lauterbach die Qualität der Krankenhausversorgung schlecht rede. „Wenn man etwas lange genug schlecht redet, demotiviert man eben nicht nur die Mitarbeiter, sondern erzeugt auch Misstrauen in der Bevölkerung“, warnte sie. Auch das Lauterbach die Krankenhausreform mit der schlechteren Lebenserwartung in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern begründet, sei nicht richtig.
„Ob die Menschen in Deutschland im Durchschnitt gesünder leben werden, weil wir demnächst weniger Krankenhäuser zur Verfügung haben, darf jedenfalls bezweifelt werden“, sagte Johna. Stattdessen brauche es einen stärkeren Fokus auf Prävention. Sie rief Lauterbach auf, mehr in die Primärprävention, also in Bewegungsangebote, gesunde Ernährung in der Schule und Gesundheitsbildung zu investieren. „Jeder Euro, den wir dort jetzt nicht investieren, wird am Ende riesige Kosten verursachen.“
Bürokratieentlastungsgesetz jetzt vorlegen
Sie bemängelte zudem, dass Lauterbach im vergangenen Jahr bei der Hauptversammlung des MB einen deutlichen Bürokratieabbau in der Versorgung angekündigt habe und bislang noch nichts passiert sei. Sie verstehe nicht warum, denn Lauterbach würde mit dem Bürokratieabbau bei seinem Kabinettskollegen und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) doch offene Türen einrennen. „Ein Gesetz, das Bürokratie abbaut und dabei noch nicht einmal finanzielle Mittel erfordert – das muss der Wunschtraum eines jeden Finanzministers sein, vor allem, wenn er zudem noch FDP-Vorsitzender ist“, betonte Johna.
Entbürokratisierung koste zwar kein Geld, aber sie koste Mut und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den Kostenträgern und womöglich auch im eigenen Ministerium. Per Antrag forderten die Delegierten der Hauptversammlung den Minister auf, den lange angekündigten Gesetzentwurf zum Abbau von Bürokratie im Gesundheitswesen vorzulegen.
Auch mit der Ausgestaltung der Weiterbildung beschäftigte sich die Hauptversammlung. So forderte der Marburger Bund eine gesetzliche Förderung und rechtliche Absicherung von Weiterbildungsverbünden, um die Facharztqualifikation in dem erforderlichen Umfang weiterhin zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund der Krankenhausreform, konzentrierte Klinikstandorte und sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen, müssen Ärztinnen und Ärzte künftig an mehrere, unterschiedliche Weiterbildungsstätten wechseln, um alle Weiterbildungsinhalte erlangen zu können.
Mehr ambulante Eingriffe in der Weiterbildung
Weiter müssten Hürden zwischen der ambulanten und stationären Versorgung für die Weiterbildung stärker abgebaut werden. Ambulante Eingriffe, wo immer sie auch durchgeführt werden, sollten vollumfänglich für die Weiterbildung zur Verfügung stehen, von sich weiterbildenden Ärztinnen und Ärzten erbracht werden können und auch abrechenbar sein, heißt es in einem weiteren Antrag der Hauptversammlung. Hierzu brauche es entsprechende sozialrechtliche Änderungen.
Hinsichtlich der Notfallreform forderte der MB zudem die Kassenärztlichen Vereinigungen dazu auf, ihrem Sicherstellungsauftrag der ambulanten Notfallversorgung vollumfänglich nachzukommen oder transparent aufzuzeigen, wo dies nicht mehr möglich sei. „Eine schleichende Übernahme der ambulanten Notfallversorgung ist abzulehnen“, heißt es in einem Antrag.
Einem weiteren angenommenen Antrag zufolge sollen diejenigen Krankenhausstandorte, die eine Notaufnahme gemäß der Stufeneinteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) haben oder zur Notfallbehandlung gesetzlich verpflichtet sind und damit weiterhin zur Versorgung zur Verfügung stehen, die erbrachten Leistungen in der ambulanten Notfallversorgung analog zu Standorten von integrierten Notfallzentren (INZ) abrechnen können.
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