Ärzteschaft

New-Work-Ansätze für bessere Arbeitsbedingungen im Krankenhaus

  • Freitag, 1. November 2024
/Mark Bollhorst
/Mark Bollhorst

Berlin – Bei dem Konzept „New Work“ denken viele direkt an Home Office oder mobiles Arbeiten. Das sei aber nur ein kleiner Aspekt, erklärte Jutta Rump, Ökonomin und Professorin für Allgemeine Betriebswirtschafts­lehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, heute bei der 144. Hauptversammlung des Marburger Bundes (MB).

Auch wenn das Arbeiten von zuhause für die meisten Ärztinnen und Ärzte kaum möglich sei, gebe es dennoch viele Aspekte von New Work, die nachhaltig zu zufriedeneren Ärzten führen könnten, erklärten Rump und der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder von der Universität Kassel.

„Die Arbeitsbedingungen müssen besser werden“, forderte die erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Su­san­ne Johna. So wie es jetzt an vielen Stellen sei, dürfe es nicht bleiben. „Das wissen wir aus eigenem Erleben und das zeigen auch immer wieder unsere Mitgliederbefragungen.“

In Zeiten eines zunehmenden Fachkräftemangels seien nur diejenigen im Wettbewerb um qualifizierte Ar­beits­kräfte erfolgreich, die auf Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingingen und entspre­chen­de Rahmenbedingungen schaffen würden. „Das betrifft nicht nur die Arbeitgeber und jeweiligen Ge­schäftsführungen – es betrifft auch uns Ärztinnen und Ärzte, sofern wir Führungskräfte sind“, appellierte Johna.

Das Konzept von New Work ist als Lösung vor den Herausforderungen der heutigen Zeit zu verstehen. Es gehe um Möglichkeiten, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass sie human und mitarbeiterorientiert sei und ein hohes Maß an Produktivität hervorbringen könne, sagte Rump.

In der Arbeitswelt stehe man heute vor einer deutlich höheren Geschwindigkeit von Veränderungsprozessen, erklärte die Wissenschaftlerin weiter. Die neue Normalität zeichne sich durch Transformationsvielfalt aus, also parallel laufende Veränderungen etwa durch Digitalisierung oder die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI).

Zeit und Geld sind knapp

Diese neue Normalität werde weiter durch drei knappe Güter geprägt. Dazu gehörten eingeschränkte finan­zielle Möglichkeiten, Zeit als knappes Gut und der Arbeitskräfte- und Nachwuchsmangel. Der Marburger Bund müsse sich in seiner sozial- und tarifpolitischen Verantwortung etwa überlegen, welche Prioritäten gesetzt werden müssten, um bestmöglich mit den Veränderungen vor dem Hintergrund der knappen Güter umzu­ge­hen, erklärte Rump.

Die größte Herausforderung sei aber der demografische Wandel, in den nächsten zehn Jahren würden etwa 13 Millionen Menschen aus der Babyboomergeneration in Rente gehen und aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, so Rump. Für sie würden allerdings lediglich 60 Prozent nachkommen. „Zwischen 2027 und 2034 geht es richtig zur Sache“, prognostizierte sie.

Die Herausforderung sei, die aktuellen Wünsche der Arbeitnehmerinnen und -nehmer nach flexiblen Arbeits­zeiten oder Arbeitszeitreduktion damit in Einklang zu bringen. Wichtig seien Arbeitsbedingungen, die nicht krank machten, denn Krankenstände könne man sich vor diesem Hintergrund nicht leisten. „Rein theoretisch muss der Nachwuchs doppelt so viel können und leisten, um das auszugleichen. Es braucht einen deutlichen Produktivitäts- und Kompetenzzuwachs“, so Rump.

Qualifizierung und Gesundheit des Personals sehr wichtig

Konkret müssten Arbeitgeber vor allem in die Qualifizierung, Gesundheit und Motivation beziehungsweise Identifikation von Mitarbeitenden investieren, betonte Rump. Menschen sei zudem vernetztes Arbeiten und Partizipation wichtig. Hierarchische Führungsstile müssten überdacht werden. Wichtig seien zudem neue Ar­beitszeitmodelle und ein gesundes Miteinander, darunter ein guter Umgang mit einer vielfältigen Beleg­schaft.

Für die Arbeit im Krankenhaus sind für den Politikwissenschaftler Schröder sowohl die Überprüfung von hierarchi­schen Verhältnissen zwischen Berufsgruppen ein wichtiges Thema als auch die Arbeitszeit- und Schichtpla­nung.

Zudem könne agiles Prozessmanagement zu einer besseren Arbeitsumgebung führen, sagte er. Der Einsatz von Personal abhängig vom Bedarf und nicht nach einer strengen Hierarchie könne etwa zu mehr Autonomie für einzelne Teams und Abteilungen führen. Wechselnde Rollenzuteilungen seien auch eine Option.

Weniger wichtig sei der Einsatz von Home Office, da dies für Ärztinnen und Ärzte nur teilweise und nur für Dokumentationszwecke möglich ist, erklärte Schröder. Auch die Gestaltung des Arbeitsplatzes in der Klinik unterliege starken Beschränkungen, etwa durch die Berücksichtigung der Patientensicherheit oder Hygiene. Noch zu wenig betrachtet werde bislang das Verhältnis von Telemedizin und New Work, so Schröder.

Anpassung von Arbeitsschutz und mehr Mitbestimmung

Um New-Work-Ansätze im Krankenhaus besser zu ermöglichen, müsste die Arbeitsschutzgesetzgebung an veränderte Realitäten angepasst und Mitbestimmungsmöglichkeiten des Personals ausgeweitet werden, so Schröder. Zudem brauche es Experimentierräume für neue Konzepte. Schröder zufolge sind dafür Kompeten­zen und die Weiterbildung und Qualifizierung des Personals entscheidend.

Schröder empfahl den Delegierten des MB zudem an ihrer „Kampfkraft“ zu arbeiten und den Druck auf die betriebswirtschaftliche Seite zu erhöhen. Die Zukunft hänge auch von der kollektiven Handlungsfähigkeit ab, die weiterentwickelt werden müsse.

Positive Effekte durch den Einsatz von New-Work-Konzepten seien im Krankenhaus dreifach lohnenswert, resümierte er. Das Personal profitiere durch bessere Arbeitsbedingungen, die sinkende Arbeitsbelastung wirke sich auch für die Patientinnen und Patienten positiv aus und das Konzept könne auch als Ansatzpunkt zur Gewinnung nötiger Fachkräfte genutzt werden.

Rump empfiehlt Krankenhäusern zudem eine strategische Personalplanung durchzuführen und den Bedarf künftigen Personals gut abzuschätzen. Dies müsste hochgerechnet und damit geprüft werden, an welcher Stelle das System aufgrund mangelnden Personals kollabieren werde.

Solch ein Verfahren müsste eigentlich verpflichtend für jede Institution werden, betonte Rump. Mit diesen Zahlen und Fakten könnte man auch einen besseren Überblick und eine bessere Krankenhausplanung innerhalb eines Bundeslandes bekommen.

cmk

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