Politik

Angriffe auf Einsatzkräfte im Vorfeld von Silvester thematisiert

  • Donnerstag, 28. Dezember 2023
/picture alliance, Britta Pedersen
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Berlin – In den vergangenen Jahren hat es nicht nur zu Silvester immer wieder Angriffe auf Einsatzkräfte wie Rettungsdienst, Feuerwehr oder auch die Polizei gegeben. In diesem Jahr werden schon im Vorfeld die Stimmen laut, die davor warnen. Eine Umfrage des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Gesetzlichen Unfallversicherung zeigt, dass das Problem weit verbreitet ist.

Demnach gaben 49,5 Prozent der befragten Frauen und Männer im ehrenamtlichen Feuerwehrdienst an, in den vergangenen zwei Jahren Gewalt in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen erlebt zu haben.

Am häufigsten berichteten die Befragten von Beschimpfungen und Beleidigungen. Tätliche Angriffe seien deutlich seltener. Mehr als einem Drittel (35,9 Prozent) sei während eines Einsatzes angedroht worden, mit einem Fahrzeug angefahren zu werden. 14 Prozent gaben an, mit Feuerwerkskörper beworfen worden zu sein. 16 Prozent sagten, sie seien über die sozialen Medien beleidigt oder beschimpft worden.

Trauriger Alltag

Die Online-Befragung ist den Angaben zufolge die erste bundesweite Befragung zu Gewalterfahrungen von ehrenamtlichen Einsatzkräften. Mehr als 6.500 Feuerwehrleute haben demnach von Anfang November bis Mitte Dezember teilgenommen.

„Die Zahl erlebter Gewaltvorfälle gegen Einsatzkräfte ist zu hoch – und mittlerweile trauriger Alltag“, sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse. Viele Betroffene erstatteten nach wie vor keine Anzeige bei der Polizei, weil sie nicht glaubten, dass ihr Anliegen ernst genommen werde.

80 Prozent der Befragten haben laut Umfrage vor allem Respektlosigkeit und mangelnde Wertschätzung als schlimm empfunden. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Stefan Hussy, sagte dazu: „Respektlosigkeit und Aggression gegenüber Einsatzkräften sind keine Bagatellen.“

Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie (DGH) riefen zu einem friedlichen Miteinander in der Silvesternacht auf. „Die Notaufnahme­kapazitäten weiter unter Druck zu setzen, indem Helfende absichtlich verletzt werden, ist grauenhaft“, sagte Steffen Ruchholtz, stellvertretender DGOU-Präsident.

Konsequente Bestrafung notwendig

Politik und Verbände mahnten ein härteres Durchgreifen an. „Es braucht mehr Respekt vor Anderen und konsequentes Bestrafen derjenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten. Hinter jeder Uniform steckt ein Mensch“, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). Die Hemmschwelle, „Menschen in Uniform anzugreifen und zu verletzen“, sei stetig gesunken, sagte er. „Das ist nicht hinnehmbar.“

Banse, nannte solche Taten einen Angriff gegen den Staat. Auch er forderte von der Gesellschaft mehr Respekt gegenüber Einsatzkräften. „Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die das tun, auch mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden. Da hapert es noch“, sagte er.

Bundesweite Zahlen zu Übergriffen im zu Ende gehenden Jahr liegen noch nicht vor. Vom bayerischen Innenministerium hieß es bereits: „Es gibt aber wohl einen weiteren Anstieg der Fallzahlen beim Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte.“ In Rheinland-Pfalz wurden nach Angaben des Landesinnenministeriums im ersten Halbjahr dieses Jahres 2.151 Einsatzkräfte als Opfer von Gewaltdelikten erfasst.

Demnach waren dort 2.023 Polizeibeamte betroffen. Bei der Feuerwehr seien 16 und unter den sonstigen Rettungsdiensten 112 Opfer in den ersten sechs Monaten erfasst worden. Bei den Zahlen handelt es sich laut dem Ministerium um Opfer von in diesem Zeitraum abgeschlossenen Ermittlungsverfahren. Der Tatzeitpunkt könne deshalb auch vor 2023 liegen. 2022 gab es insgesamt mehr als 4.300 Betroffene.

Gewalttaten nehmen weiter zu

Niedersachsen rechnete mit einer Zunahme von Gewalttaten in diesem Jahr. Laut Innenministerium verzeich­net das Bundesland bei Angriffen auf die Polizei mit Stand Ende Oktober ein Plus im unteren dreistelligen Bereich im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt. In Berlin ging die Polizei für 2023 zuletzt von etwa 15 Prozent mehr Angriffen auf Polizisten und 30 Prozent mehr auf Feuerwehrleute im Vergleich zum Vorjahr aus.

Vor dem Jahreswechsel wird das Thema erneut breit diskutiert. Hintergrund sind massive Angriffe auf Ein­satzkräfte in der Silvesternacht vor einem Jahr. Erst im Juni war ein junger Mann in Berlin zu acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden, weil er nach Überzeugung des zuständigen Amtsgerichts absichtlich einen Böller in Richtung eines Polizisten geworfen hatte.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte, die Qualität der Angriffe auf Einsatzkräfte im vergangenen Jahr sei neu, „etwa wenn Rettungskräfte in mutmaßliche Hinterhalte gelockt und angegriffen wurden“.

„Bei Teilen der Jugendlichen ist das Leben als Krimineller ein offenbar erstrebenswerter Lebensentwurf“, sagte der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hamburg, Lars Osburg. Dies zeige sich im Auftreten der Jugendlichen gegenüber der Polizei. Zudem diene Gangsta-Rap kriminellen Banden zur Rekrutierung neuer Mitglieder. „Wir wiederholen unsere These, dass sogenannter Gangsta-Rap einen erheblichen Teil zu dieser Entwicklung beiträgt“, sagte er.

Für die Johanniter-Unfall-Hilfe in Niedersachsen steht fest: Jeder Angriff sei einer zu viel. Im Laufe dieses Jahres sei aber kein Anstieg von Angriffen gegen Einsatzkräfte zu verzeichnen gewesen. Der Verein hofft, dass die Öffentlichkeitskampagnen der vergangenen Monate griffen und den Menschen im Bewusstsein bleibe, dass Retter nie Ziel körperlicher Angriffe sein dürfen.

Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Wiesbaden werden Einsatzkräfte nach Angaben einer Sprecherin geschult, in solchen Situationen deeskalierend zu wirken. „Sie wissen auch, wann sie sich zurückziehen und die Polizei rufen sollten.“ Das Innenministerium in Wiesbaden teilte mit: „Im Rahmen der Aus- und Fortbildung werden Polizistinnen und Polizisten auf derartige Angriffe vorbereitet.“

hil/dpa/afp/may

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