Antiinflammatorische Immunsignatur als eine Ursache für Long COVID

Wien – Bei Long COVID wird das Proteomik- und Metabolomikmuster im Blutplasma von entzündungshemmenden Molekülen dominiert. Die Wissenschaftler der Joint Metabolome Facility der Universität Wien und Medizinischen Universität Wien schlagen daher eine überschießende anti-entzündliche Reaktionen als wesentlichen Treiber für das Erschöpfungs-Syndrom vor (iScience 2022; DOI: 10.1016/j.isci.2022.105717).
Die zugrunde liegenden molekularen Krankheitsmechanismen bei LCS (Long COVID-19 Syndrome) sind immer noch nicht vollständig aufgeklärt.
Ein besseres Verständnis der Pathophysiologie sind für effektivere Behandlungsmöglichkeiten und bessere Einordnung von Risikofaktoren eine wesentliche Voraussetzung.
In dieser explorativen Studie wurden Blutplasma-Analysen von 3 Kohorten ausgewertet:
(a) gesunde geimpfte Personen ohne SARS-CoV-2-Exposition,
(b) asymptomatisch Genesene, mindestens drei Monate nach SARS-CoV-2-Infektion und
(c) symptomatische Patientinnen und Patienten mindestens 3 Monate nach SARS-CoV-2-Infektion mit chronischem Erschöpfungssyndrom.
Anhand von massenspektrometrie-basierten postgenomischen Analyseverfahren wurde das jeweilige Proteomik- und Metabolomik-Muster dieser 3 Kohorten (jeweils n=13) auf pro- und antiinflammatorische Marker hin untersucht und die Ergebnisse miteinander verglichen.
Demnach waren bei genesenen Personen (Kohorte b) im Gegensatz zu Patienten mit LCS (Kohorte c) proinflammatorische Zytokin-Spiegel erhöht. Bei LCS waren Akutphaseproteine und von Makrophagen abgeleitete, sekretierte Proteine hingegen nur in sehr geringen Konzentrationen nachweisbar.
„Alle wichtigen möglichen Marker für akute Entzündungsprozesse waren bei LCS-Proben unter den Werten von gesunden Spendern oder erst gar nicht nachweisbar“, schilderte Seniorstudienautor und Leiter der Joint Metabolome Facility Christopher Gerner vom Institut für Analytische Chemie an der Universität Wien.
Unter den nachgewiesenen Zytokinen, Chemokinen und löslichen Rezeptoren waren zum Beispiel IL-18, lösliches TNF-RII und MCP-1/CCL2 in der LCS-Gruppe signifikant herunterreguliert.
Interessant war, dass diese Unterschiede bei LCS im Vergleich zu asymptomatisch Genesenen stärker ausgeprägt waren als zu gesunden Kontrollen (Kohorte a). „Dieser Befund machte deutlich, dass tatsächlich bei symptomlosen Genesenen ein gewisser Rest an Entzündungsreaktionen nachweisbar war, während eben Long-COVID-Patientinnen und Patienten einen gegenteiligen Befund aufwiesen“, erläuterte Gerner.
Die molekulare Signatur war bei LCS hingegen stärker von anti-entzündlichen Metaboliten, wie Oxylipinen einschließlich Omega-3-Fettsäuren, Osmolyte Taurin und Hypaphorin geprägt.
Von Hypaphorin ist zum Beispiel bekannt, dass es in Tieren spontan Schlaf induzieren kann, was einen Zusammenhang mit dem Erschöpfungssyndrom nahelegen könnte, so Studienautoren.
Damit könnten antiinflammatorische Proteine, Lipide und weitere Metaboliten an der LCS Symptomatik beteiligt. Die antiinflammatorischen Veränderungen und Herunterregulation entzündlicher Prozesse bei LCS könnten womöglich auf die Dominanz von alternativ polarisierten Makrophagen zurückgeführt werden, vermuten die Wissenschaftler.
Im Plasma von Patienten mit LCS dominieren entzündungshemmende Effektormoleküle, die auch als molekulare Biomarker dienlich sein und die Entwicklung dringend benötigter Behandlungsoptionen vorantreiben könnten, schlussfolgern die Studienautoren.
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