Long COVID: Überlebende der ersten Krankheitswelle klagen häufiger über Depressionen

Leeds – Briten, die während der erste Pandemiewelle von März bis Mai 2020 an COVID-19 erkrankt waren, litten ein Jahr später häufiger unter depressiven Verstimmungen und unter einer vermehrten Ängstlichkeit. Dies zeigen die Ergebnisse einer Langzeitstudie in Scientific Reports (2022: DOI: 10.1038/s41598-022-24240-3).
Frühere Studien hatten gezeigt, dass der scharfe Lockdown im Frühjahr 2020 die Bevölkerung psychisch belastet hat. Zu den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, den wirtschaftlichen Folgen und der allgemeinen Unsicherheit über die Zukunft kam die Sorge, selbst an COVID-19 zu erkranken. Menschen mit psychischen Vorerkrankungen waren besonders stark betroffen.
Das Marktforschungsinstitut Panelbase.net, das normalerweise das Konsumverhalten erforscht, hat in einer (nicht unbedingt repräsentativen) Stichprobe 3.077 Briten über einen Zeitraum von 13 Monaten insgesamt 8 Mal nach ihrem psychischen Befinden befragt.
Zum Einsatz kam der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-9), der ein etablierter Screeningtest für Depressionen ist, und der „Generalized anxiety disorder“-Fragebogen (GAD), der Angststörungen erkennt.
Mit der „Short Warwick Edinburgh Mental Wellbeing Scale“ wurden die Teilnehmer zu ihrem allgemeinen psychischen Befinden befragt. Der „UCLA 3“-Fragebogen erkundigte sich nach Gefühlen von Einsamkeit.
Insgesamt 13 % der Teilnehmer waren während der ersten Welle an COVID-19 erkrankt. Diese Personen zeigten bereits bei den ersten Befragungen ein höheres Maß an Depressionen, Ängstlichkeit, einem verminderten psychischen Wohlbefinden und Einsamkeit.
Der Grund dafür ist nicht klar. Das Team um Rory O’Connor von der Universität Leeds vermutet, dass Personen mit psychischen Problemen – weil sie andere Sorgen haben – sich nicht so genau an die Regeln des Lockdowns halten und ihr Infektionsrisiko deshalb höher war. Außerdem gehen psychische Erkrankungen häufiger mit einem ungesunden Lebensstil, etwa Rauchen, einher, der ebenfalls das Erkrankungsrisiko erhöht haben könnte.
Bei den nachfolgenden Umfragen fiel auf, dass sich die COVID-19-Patienten häufig nicht von den psychischen Störungen erholt hatten, obwohl der Lockdown vorüber war und das Risiko von schweren Erkrankungen mit der Einführung der Impfstoffe gesunken war.
Im Vergleich zu den Nicht-Infizierten klagten die COVID-19-Patienten auch 13 Monate später noch doppelt so häufig über depressive Verstimmungen (Odds Ratio 2,01; 95-%-Konfidenzintervall 1,43-2,82) und über Ängstlichkeit (Odds Ratio 1,67; 1,14-2,44). Ihr allgemeines Wohlbefinden war weiterhin niedriger (Odds Rato 0,70; 0,50-0,98). Nur in der Einsamkeit gab es keine Unterschiede zur Vergleichsgruppe der Personen, die nicht an COVID-19 erkrankt waren.
Diese Spätfolgen von COVID-19 waren unabhängig von den vorbestehenden psychischen Problemen. Die Ängstlichkeit hatte bei den vormals psychisch gesunden Teilnehmern sogar deutlich zugenommen (Odds Ratio 2,40; 0,62-1,57), während sich der Zustand bei den Personen mit vorbestehenden Störungen nicht verändert hatte (Odds Ratio 0,99; 0,63-1,57).
Die Teilnehmer wurden nicht nach Long-COVID-Symptomen befragt. O’Connor vermutet aber, das Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, kognitive Störungen oder auch Geschmacks- und Geruchsverlust und anhaltende Atemnot sich auf das psychische Befinden ausgewirkt haben.
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