Vermischtes

Aufsichtsbehörde ruft Krankenkassen zu mehr Nachhaltigkeit in der Gesundheits­versorgung auf

  • Freitag, 7. Juni 2024
/lumerb, stock.adobe.com
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Berlin – Die Aufsichtsbehörden würden Nachhaltigkeitskriterien im Kollektivvertrag nicht beanstanden, auch, wenn diese zu höheren Ausgaben für die Krankenkassen führen würden. Das stellte die Leiterin der Abteilung „Kranken- und Pflegeversicherung“ im Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS), Antje Domscheit, gestern auf einer Veranstaltung der Techniker Krankenkasse (TK) in Berlin klar.

Zuvor hatten Vertreterinnen und Vertreter von Krankenkassen erklärt, dass sie gerne mehr Nachhaltigkeit in die Verträge hineinbringen würden, die sie im Kollektiv- und Selektivbereich abschließen. Unter anderem das im Sozialgesetzbuch V enthaltene Wirtschaftlichkeitsgebot bremse sie dabei aber aus. Das gelte vor allem für den Kollektivvertrag.

„Im Kollektivvertrag gibt es zurzeit keinen Faktor, der Nachhaltigkeitskriterien ausreichend berücksichtigt“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der TK, Thomas Ballast. Wenn die Krankenkassen nun im Kollektivvertrag damit beginnen würden – zum Beispiel in die Honorarverträge mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten oder in die Landesbasisfallwerte –, Nachhaltigkeitskriterien einzupreisen, sei er sich nicht sicher, wie die Kassenaufsicht darauf reagieren würde. Domscheit war in ihrer Antwort darauf sehr klar: „Wir würden das Abweichen von der Veränderungsrate nicht beanstanden.“

Auch für den Bereich der Selektivverträge rief Domscheit die Krankenkassen auf, mehr Nachhaltigkeits­kriterien in die Verträge aufzunehmen. Im Rehabereich gebe es zum Beispiel Vergütungsverträge, bei denen Rehakliniken Zuschläge erhalten, die eine Zertifizierung nach dem Eco Management and Audit Scheme (EMAS) abgeschlossen haben. Unternehmen, die an EMAS teilnehmen, verpflichten sich unter anderem dazu, eine Umwelterklärung zu veröffentlichen, in der sie über ihre Umweltleistung und ihre Umweltziele berichten. „Solchen Verträgen würden wir definitiv zustimmen“, sagte Domscheit. „Leider haben wir noch nichts in diese Richtung auf dem Tisch gehabt.“

Lobend erwähnte Domscheit den Selektivvertrag der TK, über den Hausarztpraxen in Baden-Württemberg einen jährlichen Zuschlag erhalten, wenn sie das Siegel „Nachhaltige Praxis“ vorweisen können. Solche Zertifizierungen seien ein guter Weg, um die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen auch für die Patientinnen und Patienten sichtbar zu machen, sagte Domscheit.

Nachhaltigkeitsgebot ins SGB V

Vertreterinnen und Vertreter der Selbstverwaltung wünschten sich eine gesetzliche Klarstellung, dass Nachhaltigkeitskriterien im deutschen Gesundheitswesen dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuches V nicht entgegenstehen. Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Ellen Lundershausen, sprach sich vor diesem Hintergrund dafür aus, ein Nachhaltigkeitsgebot in den Paragraf 12 des SGB V aufzunehmen. Demnach sollten die Leistungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung künftig nicht nur „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein, sondern auch „nachhaltig“.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sprach sich für eine ähnliche Klarstellung im Paragraf 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes aus, in dem das Wirtschaftlichkeitsgebot im stationären Bereich verankert ist. „Dort muss die Klarstellung erfolgen, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Teile des Wirtschaftlichkeitsgebots berücksichtigt werden müssen“, sagte Gaß. „Sonst stoßen wir immer wieder an den Punkt, an dem gesagt wird, Nachhaltigkeit sei ‚nice to have‘, aber sie gehöre nicht ins Wirtschaftlichkeitsgebot.“

Keine Angst vor der Kassenaufsicht

Auch Ballast von der TK wünschte sich mehr gesetzliche Klarheit. „Mehr Sicherheit in Form eines klaren Rahmens für die Kassen wäre schön“, sagte er. Domscheit vom BAS sprach sich hingegen gegen eine Gesetzesänderung aus. Zum einen mache eine Insellösung im SGB V keinen Sinn, sagte sie. Denn die Gesundheitsversorgung ende ja nicht im SGB V. Zum anderen hätten die Krankenkassen heute schon alle Möglichkeiten, Nachhaltigkeit in die Versorgung zu bringen. „Wir möchten Ihnen mehr Sicherheit geben, indem wir hier klarstellen: Die Krankenkassen müssen keine Angst vor der Kassenaufsicht haben, wenn sie mehr Nachhaltigkeit in die Versorgung bringen wollen.“

fos

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