Vermischtes

Politik soll Nachhaltigkeit ins Sozialgesetzbuch V aufnehmen

  • Freitag, 17. Mai 2024
/narawit, stock.adobe.com
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Berlin – An vielen Stellen des Gesundheitswesens arbeiten die unterschiedlichen Akteure derzeit daran, das System nachhaltiger und klimafreundlicher zu machen. Das wurde auf dem Kongress der Gesundheitsnetz­werker kürzlich in Berlin deutlich.

So erhalten bestimmte Hausarztpraxen in Baden-Württemberg einen jährlichen Zuschlag von neun Euro auf die Grund­pauschale in Höhe von 65 Euro, wenn sie das Siegel „Nachhaltige Praxis – Mensch. Klima. Umwelt“ vorweisen können, das von der Techniker Krankenkassen (TK) und dem Aqua-Institut entwickelt wurde.

Diese Praxen müssen zudem den Hausarztvertrag der TK, des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Baden-Württemberg (HÄVBW) und Medi Baden-Württemberg abgeschlossen haben. Praxen, die das Siegel in der Ausprägung „Exzellent“ erhalten haben, bekommen einen Zuschlag von zwölf Euro.

Mit dem Qualitätssiegel dokumentieren die Praxen, dass sie ökologische und soziale Standards in ihren Praxis­alltag integrieren. In einem eLearning-Portal werden die teilnehmenden Praxen an Themen wie Hitze­schutzpläne oder CO2-Bilanzierungen herangeführt.

Eine ähnliche Regelung beinhaltet auch der Hausarztvertrag, den die AOK Baden-Württemberg mit dem Hausärzteverband geschlossen hat. Seit dem 1. Oktober 2023 erhalten teilnehmende Arztpraxen einmal im Jahr den Zuschlag „Klimaresiliente Versorgung“ in Höhe von acht Euro auf die Chronikerpauschale, die ihre Patienten über Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und der Gesundheit informieren. Zuvor hat das Praxisteam eine entsprechende Schulung erhalten.

Anreize für Klimaschutz setzen

„Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ist es nicht leicht, mehr nachhaltig noch on top in ihrem Arbeits­alltag umzusetzen“, sagte Sarah Windolph-Lübben, Nachhaltigkeitsmanagerin der TK. „Wir versuchen, dafür Anreize zu setzen.“

Sie betonte, dass gerade die Akteure des Gesundheitswesens versuchen müssten, ihre Treibhausgasemissio­nen zu reduzieren, um die Gesundheit der Menschen auf diese Weise vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.

„Für jeden im Gesundheitswesen müsste das Anreiz genug sein, um sich klimafreundlicher aufzustellen“, so Windolph-Lübben. Zudem gebe es aber auch wirtschaftliche Anreize. Denn wenn nicht schnell Treibhausgase eingespart würden, würden die Folgekosten des Klimawandels extrem.

An die Politik appellierte Windolph-Lübben, die Nachhaltigkeit in das Sozialgesetzbuch V aufzunehmen. Das wäre ein großer Hebel, um das Gesundheitswesen klimafreundlicher zu machen. Auch der in der vergangenen Woche zu Ende gegangene 128. Deutsche Ärztetag in Mainz hatte die Politik dazu aufgerufen, den Aspekt der Klimaneutralität bei allen anstehenden Reformen und Umstrukturierungen im Gesundheitswesen mitzuden­ken.

Deutschland wird künftig noch öfter von Extremwetter betroffen sein

Die TV-Wettermoderatorin Claudia Kleinert erklärte auf dem Kongress der Gesundheitsnetzwerker, weshalb es höchste Zeit für das Gesundheitswesen ist, die eigenen Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

„Wettermoderatoren merken in ihrer täglichen Arbeit, wie das Wetter immer extremer wird“, sagte Kleinert. „Extremwetterereignisse wiederholen sich in immer kürzeren Abständen.“ So seien die vergangenen neun Jahre global die wärmsten Jahre in Folge gewesen.

„Die globale Durchschnittstemperatur im Juli 2023 war die höchste, die jemals für einen Monat aufgezeichnet wurde“, so Kleinert. „Die Anzahl der Tage mit mehr als 35 °C steigt in Deutschland seit dem Jahr 1970 kontinu­ierlich an.“ Und diese Entwicklung werde weitergehen. „Deutschland muss sich darauf einstellen, künftig von Extremwetter deutlich öfter betroffen zu sein“, sagte Kleinert.

Krankenhäuser sollten Hitzemonitoring durchführen

Für Krankenhäuser sei es wichtig, ein Hitzemonitoring durchzuführen, um herauszufinden, wo es im Kranken­haus Hitzeinseln gibt, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesell­schaft (DKG), Henriette Neumeyer.

Dann müssten die Krankenhäuser schauen, wie sie die Zimmer abkühlen könnten: durch Kühl- oder Ver­schattungssysteme. Für die Krankenhäuser sei die Finanzierung solcher Maßnahmen allerdings nicht leicht, unter anderem, weil es unterschiedliche Bauförderungen in den Ländern gebe.

Wichtig sei es für die Krankenhäuser zudem, die Patientengruppen zu identifizieren, die für Hitze besonders vulnerabel sind. „Wir brauchen in jedem Fall mehr Hitzeawareness“, sagte Neumeyer. „Und die Krankenhäuser müssen frühzeitig vor Beginn einer Hitzeperiode damit beginnen.“ Sie forderte zudem, dass die Themen Klimaschutz und Hitzeschutz im Krankenhaus auch bei der anstehenden Krankenhausreform mitgedacht werden.

Kleinert betonte, dass es für Krankenhäuser auch aus wirtschaftlicher Sicht künftig wichtiger werde, ob sie ihre Patienten vor Hitze schützen können. „Patientinnen und Patienten, die sich im Sommer in einem Kran­kenhaus behandeln lassen müssen, werden zunehmend danach fragen, wie gut das Krankenhaus klimatisiert ist“, meinte sie.

fos

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