Ausstellung zum Gedenken an verfolgte jüdische Ärzte eröffnet

Essen – Eine neue Ausstellung in Essen soll an die die systematische Entrechtung und Verfolgung jüdischer Ärzte in Deutschland erinnern. Sie wurde heute anlässlich des 127. Deutschen Ärztetages in der Alten Synagoge in Essen eröffnet.
Die ursprünglich für München konzipierte und erstmals 2008 gezeigte Ausstellung mit dem Titel „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen“ wurde von dem Ehepaar Ursula Ebell und Hansjörg Ebell initiiert. Seitdem wird sie von Ursula Ebell als Kuratorin erweitert – für die aktuelle Ausstellung in Essen sind in Zusammenarbeit mit den Kreisstellen der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNO) neun Porträts jüdischer Ärztinnen und Ärzte aus dem Rheinland ergänzt worden.
In den 1930er-Jahren gab es dort der Ärztekammer zufolge einen besonders hohen Anteil jüdischer Ärzte. Die einzige Ausstellungstafel zu einem Betroffenen aus Nordrhein war Eduard Franz Schott aus Solingen gewidmet. „Mit der Erweiterung der Ausstellung um neun Portraits möchten wir uns an der Aufarbeitung der Verbrechen an unseren jüdischen Kolleginnen und Kollegen im Nationalsozialismus beteiligen“, sagte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein.
Mit den Portraits zeichne man in Bild und Wort die Lebensgeschichten jüdischer Kollegen nach und mache so ihr Leben und Wirken sichtbar gegen das Vergessen.
Nach einem Aufruf der Ärztekammer Nordrhein an die Vorsitzenden der Kreisstellen waren aus den Regionen zahlreiche Hinweise zu betroffenen jüdischen Ärzten eingegangen und konnten als Recherchegrundlage genutzt werden. Mitarbeitende der Mahn- und Gedenkstätten sowie NS-Dokumentationszentren, Archive, jüdische Gemeinden, Vereine, Verlage, Journalisten, aber auch Privatpersonen und Mitglieder der Ärztekammer Nordrhein beteiligten sich an der Arbeit.
Zu den neun ergänzten Portraits zählt unter anderem das des Bonner Arztes Arthur Samuel. Dieser war mehrfach für sein medizinisches Wirken im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet worden, 1933 entzog man ihm jedoch erst die wirtschaftliche Grundlage seiner Existenz und schließlich auch seine Approbation. Nach zwei vorübergehenden Festnahmen gelang ihm im Frühjahr 1939 zusammen mit seiner Familie die Flucht in die USA.
Auch dem Reeser Arzt Walter Bouscher gelang die Emigration. Nachdem er durch die Gesetzgebung der Nationalsozialisten zum 1. März 1933 erst seine Kassenarztzulassung und schließlich immer mehr seiner Privatpatienten verloren hatte und sich zudem Bespitzelungen durch die Gestapo ausgesetzt sah, wanderte er 1936 gemeinsam mit seiner Familie nach Brasilien aus.
Ein weiteres Portrait ist Karl Leven gewidmet, niedergelassener Kinderarzt aus Düren. Er musste erleben, wie SA-Angehörige seine Praxis überfielen, ihm später seine Kassenzulassung entzogen und schließlich während der Pogromnacht 1938 sein Praxisinventar zerstört wurde. 1942 wurde Leven gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern im Vernichtungslager Sobibor getötet.
„Nach wie vor ist es wichtig, sich auf das Ungeheuerliche und letztendlich Unfassbare des Geschehens in der Zeit des Nationalsozialismus einzulassen, sich davon berühren zu lassen und sich Fragen zur Verantwortlichkeit zu stellen – auch wenn dies alles schon Jahre zurückliegt“, mahnte Hansjörg Ebell.
Als besonders eindrücklich beschreibt Ursula Ebell das Schicksal der Münchner Ärztin Magdalena Schwarz: „Durch viele persönliche Gespräche mit ihrer Tochter Elisabeth Büscher erfuhren wir Genaueres über ihre unermüdliche, ärztliche Tätigkeit und das Leben unter den antisemitischen Schikanen der Nazizeit.“
Magdalena Schwarz überlebte, da ein Kollege aus dem Städtischen Krankenhaus München-Schwabing sie 1945 als Patientin in seiner psychiatrischen Abteilung versteckte. Bis 1971 praktizierte sie als Ärztin in München.
„Die Ausstellung versucht einerseits der Individualität der Lebenswege gerecht zu werden, andererseits aber auch das Exemplarische herauszustellen – angefangen vom Verlust der Kassenzulassung und Entlassung aus dem öffentlichen Dienst aus ,rassischen' Gründen, sowie der erzwungenen Praxisaufgabe vor oder nach ,Erlöschen' der Approbationen bis zu Emigration, Suizid, Deportation und Ermordung in den Vernichtungslagern“, erläuterte Ursula Ebell die Idee hinter der Ausstellung. Zum Verwaltungsakt geronnene behördliche Dokumente der Diffamierung, Ausgrenzung und Existenzvernichtung würden persönlichen Zeugnissen – Fotos, Erinnerungen, Briefen – gegenübergestellt.
Die Wanderausstellung gastiert vom 16. bis 21. Juni 2023 in der Alten Synagoge Essen, im September wird sie im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf zu sehen sein. Anfragen für weitere Stationen liegen der Kuratorin bereits vor.
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