Politik

Nationaler Hitzeschutzplan soll Zahl der Hitzetoten halbieren

  • Freitag, 28. Juli 2023
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, re.) und Markus Beier, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes /picture alliance, Britta Pedersen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, re.) und Markus Beier, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes /picture alliance, Britta Pedersen

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will noch in diesem Jahr die Zahl der Hitzetoten halbieren. Das kündigte er heute bei der Veröffentlichung des neuen nationalen Hitzeschutzplans an. „Wir haben das Ziel, die Zahl der Sterbefälle in diesem Jahr zu halbieren, also unter 4.000 zu halten“, sagte der Minister.

Der bereits im Juni angekündigte Hitzeschutzplan seines Hauses sei nun verabschiedet worden. Das neue Konzept umfasst dem SPD-Politiker zufolge verschiedene Vorhaben in Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, den Hausärzten, den Krankenhäusern, den Pflegeeinrichtungen, den Kommunen und den Ländern.

Dabei sollen auch die Hausärzte eine zentrale Rolle einnehmen – insbesondere zum Schutz vulnerabler Pa­tienten. „Um was es im Kern geht, ist neben dem Herstellen von einem Bewusstsein, dass Hitze eine Gefähr­dung für die Gesundheit darstellen kann in verschiedenen Situationen, dass es auch eine individuelle Anspra­che gibt“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Markus Beier.

34 Millionen chronisch Erkrankte würden jährlich von den Hausarztpraxen behandelt. So müssten etwa Men­schen mit Herzschwäche – die üblicherweise angehalten würden, ihre Flüssigkeitszufuhr zu mäßigen – klar­ge­macht werden, dass sie bei Hitze dennoch auf ausreichendes Trinken achten sollten.

Abrechnungsziffer für Hitzeberatung

Für ein Beratungsgespräch zum Hitzeschutz gebe es in Baden-Württemberg bereits eine eigene Abrechnungs­ziffer. „Wir werden uns aber als Partner der Krankenkassen darum bemühen, dass es bundesweit kommt“, sagte Beier. Für die Aufklärung zum Hitzeschutz schule der Bundesverband Hausärzte sowie Praxispersonal. Und auch Pflegeeinrichtungen und Pflegende Angehörige sollen geschult werden.

Zusätzlich sollen in möglichst vielen Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen künftig Plakate des Bundesgesund­heitsministeriums und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Verhaltenstipps bei Hit­ze angebracht werden. Ein Manual zum Thema Hitzeschutz ist ebenfalls auf der Internetseite des Hausärzte­verbands abrufbar.

Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, erklärte, dass auch niedergelassene Fachärzte in die Prävention einbezogen werden sollten und forderte modernere und interaktivere Möglichkeiten: „Passive Plakate und Websites sind zwar gut, aber geraten schnell in Vergessenheit.”

1.500 Hitzetote in diesem Jahr

Im vergangenen Jahr sind Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge deutschlandweit etwa 8.000 Men­schen an den Folgen von Hitze verstorben. Bis Mitte Juli sind in diesem Jahr schätzungsweise bereits 1.510 Menschen gewesen. Das geht aus dem in diesem Jahr vom RKI eingerichteten Wochenbericht hervor, der die hitzebedingte Mortalität anhand der Übersterblichkeit messen soll.

„Wenn die dritte Warnstufe des Deutschen Wetterdienstes erreicht ist, sterben an einem Tag mehrere hundert Menschen“, sagte Lauterbach. Für solche „extremen" Hitzeereignisse würde ein Warnsystem per SMS oder die Nina-Warn-App angestrebt. Hierzu gibt es Lauterbach zufolge Gespräche mit dem Bundesinnenministerium.

Lauterbach verwies zudem darauf, dass seit dem letzten Treffen zum Hitzeschutzplan im Juni bereits die Zu­sammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verstärkt worden sei. „Der Hitzeschutz ist jetzt viel stärker integriert in das Nachrichtengeschehen“, sagte der Minister.

Warnungen werden dabei mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen organisiert. Zusätzlich hätten auch Krankenkassen oder einzelne Kommunen Telefon-Hotlines eingerichtet, um zum Thema Hitzeschutz zu in­formieren.

„Wir haben drei Zugänge, die wir gut aufgebaut haben: die Pflege auf der einen Seite, die ärztliche Versorgung auf der anderen Seite und die Obdachlosenhilfe“, so Lauterbach. Als weitere schwer zu erreichende nannte er Menschen, die zwar nicht chronisch krank, aber trotzdem zu vulnerabel seien und zuhause lebten.

„Es ist Aufgabe der Kommunen und wir werden mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst darüber sprechen“, so Lauterbach. Als Beispiele für Städte und Kommunen, die den Hitzeschutz voranbrächten nannte Lauterbach Berlin und Köln.

Im engen Austausch sei man auch mit den französischen Behörden. Bereits zuvor hatte Lauterbach Frankreich als Vorbild für einen Hitzeschutzplan genannt. Im Nachbarland gibt es vier Warnstufen. In der höchsten sollen Kommunen den Zugang zu Schwimmbädern und Stränden erleichtern, Wasser verteilen oder den Sportunter­richt an Schulen streichen. Der deutsche Hitzeschutzplan entspreche nun zu 80 Prozent dem, was auch in Frankreich gemacht werde, sagte Lauterbach.

Bauliche Maßnahmen gefordert

Einige Maßnahmen bräuchten allerdings mehr Vorlauf. Dazu gehörten Lauterbach zufolge unter anderem bau­liche Maßnahmen von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte dafür ein Investitionsprogramm.

„Unzureichende Krankenhausstandards der Vergangenheit, wie Fensterverschattung, Ventilatoren und Kühl­akkus werden den klimatischen Herausforderungen der kommenden Jahre nicht genug entgegensetzen kön­nen“, sagte Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG. Klimaschutz und Nachhaltig­keit sollten laut DKG im Krankenhausfinanzierungsgesetz verankert und ein Klimaschutzfonds für die Kran­kenhäuser aufgesetzt werden.

Auch aus der Union kam Kritik an Lauterbachs Kommunikation zum Hitzeschutzplan. Der gesundheitspoli­tische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU) sagte, der „Alarmismus“, den Lauterbach an den Tag lege, sei „nicht angemessen“. Die große Mehrheit der Bevölkerung fühle sich „längst gut darüber informiert, wie man mit Hitze umgehen kann“.

Während eine Umfrage der DAK-Gesundheits aus diesem Jahr zu dem Ergebnis kommt, dass sich knapp 90 Prozent der Bevölkerung gut zum Thema Hitze informiert fühlt, kam ein AOK-Report von 2021 zu dem Schluss, dass ein Drittel der Bevölkerung Informationsbedarf hat.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßte den Hitzeschutzplan. Der Klimawandel sei eine Tatsache, seine Folgen seien auch durch immer heißere Sommer zu spüren. Nun sei es wichtig, „Hitzeschutzpläne und Empfehlungen auch in der Praxis gezielt umzusetzen“, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

mim/afp/dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung