RKI-Bericht: Klimawandel wirkt sich vielfältig auf die Gesundheit aus

Berlin – Hitze, weitere Extremwettereignisse, UV-Strahlungen, allergische Erkrankungen, Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe und psychische Gesundheit: Ein neuer Sachstandsbericht befasst sich mit einer Reihe von Auswirkungen des Klimawandels.
Das Papier ist der zweite Teil von drei Berichten zum Thema Klimawandel und Gesundheit, die unter Federführung des Robert-Koch-Intituts (RKI) entstehen. Bereits im Juni dieses Jahres ist der Sachstandsbericht zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten erschienen. Das Deutsche Ärzteblatt hatte berichtet.
Im Fokusthema Hitze sehen die Autoren weiteren Forschungs- und Handlungsbedarf, obwohl die Evidenz zu Gesundheitsauswirkungen von Hitze und das Bewusstsein zum Hitzeschutz in den vergangenen Jahren bereits gewachsen sei. Vor allem auf extreme Ereignisse sei die Bevölkerung, das Gesundheitssystem sowie die Kommunen nicht vorbereitet. Die Autoren des Berichts haben verschiedene Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, in denen unter anderem Hitzeaktionspläne gefordert werden.
Im Juli dieses Jahres hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits einen nationalen Hitzeschutzplan veröffentlicht mit dem Ziel, die Zahl der Hitzetoten in Deutschland noch in diesem Jahr zu halbieren. Im vergangenen Jahr lag die geschätzte Zahl laut RKI bei 4.500 Verstorbenen. Aufgrund neuer Berechnungsmodelle des RKI ist die Zahl seit Ende Juni dieses Jahres geringer angegeben als zunächst geschätzt.
Bis zum 20. August dieses Jahres gab es nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts 2.400 Hitzetote (95-%-Prädiktionsintervall: 1.100 bis 3.600). „Im Sommer 2023 gab es bisher kleinere Hitzeepisoden in Deutschland, sodass die hitzebedingte Mortalität erwartungsgemäß bisher noch moderat ausfällt“, sagten die Autoren des Sachstandsberichts Hans Guido Mücke und Matthias an der Heiden dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ).
Handlungsbedarf sehen Mücke und an der Heiden vor allem in der Umsetzung von Hitzeaktionsplänen: „Nach aktuellem Kenntnisstand haben nur wenige Kommunen in Deutschland umfassende und integrierte Hitzeaktionspläne umgesetzt, in denen es gelungen ist, Akteure aus dem Gesundheitssektor, wie Ärzteschaft und Pflege, Rettungsdienste und Kliniken, in die Entwicklung der Pläne umfassend einzubinden.“
Dafür sei es eine Voraussetzung, dass die zuständigen Behörden sowie Akteure im Gesundheitsbereich gesundheitsbezogenen Hitzeschutz als ihre Pflicht verstünden und sich daraus entsprechende Initiative und aktive Beteiligung entwickele. Dafür müsse zusätzlich das „Strukturdefizit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“ adressiert werden und Hitzeschutz sowie Hitzevorsorge im Gesundheitssektor und in der Allgemeinheit verankert werden.
Außerdem gehen die Autoren auf veränderte Nebenwirkungsraten von Medikamenten bei Hitze ein. So könne etwa der Effekt von Antihypertensiva durch hitzebedingte Vasodilatation verstärkt werden und zu Synkopen mit möglicherweise schweren Verletzungen führen. Daneben führen die Autoren weitere Medikamente wie Antiepileptika oder Insuline auf, deren Nebenwirkungen sich durch Hitze aggravieren können.
UV-Strahlung und Luftschadstoffe in Hitzeschutzpläne integrieren
In weiteren Artikeln des Berichts plädieren die jeweiligen Autoren dafür UV-Strahlung und Luftschadstoffbelastung in Hitzeschutzpläne und Frühwarnsysteme zu integrieren.
Zwar fehle es bislang an Daten, um den klimawandelbedingten Einfluss auf die individuelle UV-Belastung vorherzusagen, dennoch seien präventive Maßnahmen dringlich. Dafür haben die Autoren des Fokusthemas zur UV-Strahlung Handlungsempfehlungen auf Grundlage der S3-Leitlinie zur Hautkrebsprävention und einem Bericht des Umweltbundesamtes erarbeitet.
Auch die Wechselwirkung zwischen Lufttemperaturen und Luftschadstoffen sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheit sei noch nicht ausreichend erforscht. Dennoch gehen die Autoren davon aus, dass Perioden mit erhöhter Konzentration von Luftschadstoffen zunehmen werden.
Zusätzlich zu Luftschadstoffen könnte sich die Pollenbelastung verstärken, was Menschen mit Allergien zusätzlich belaste. „So können polysensibilisierte Pollenallergikerinnen und Pollenallergiker aufgrund von Veränderungen der Blühperiode von Pflanzen heute fast ganzjährig unter Allergiesymptomen leiden“, heißt es in einem weiteren Artikel des Berichts, in dem es um die Auswirkungen des Klimawandels auf allergische Erkrankungen geht.
Extremwetter und psychische Belastung
Weitere Extremwetterbedingungen, etwa Überschwemmungen, Stürme oder Dürren beeinflussen die Gesundheit ebenfalls kurz- oder langfristig etwa durch Verletzungen oder psychische Belastungen. Die Auswirkungen beträfen insbesondere vulnerable Gruppen, wie beispielsweise ältere Menschen, Kinder, Schwangere oder Einsatzkräfte, sodass Anpassungsmaßnahmen erfolgen müssten. „Neben planerischen Maßnahmen ist dies vor allem auch die Erhöhung der Selbstschutzfähigkeit in der Bevölkerung durch Wissen und die Stärkung sozialer Netzwerke“, heißt es im Papier.
Die psychische Gesundheit wird in einem weiteren Artikel des Berichts beleuchtet. „Durch häufigere Extremwetter werden Traumafolgestörungen zunehmen, an heißen Tagen sind Menschen aggressiver und das Suizidrisiko steigt“, sagte die Erstautorin Nadja Gebhardt von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik vom Universitätsklinikum Heidelberg dem DÄ. Zudem sei eine zunehmende Anzahl an Menschen durch das Wissen um den Klimawandel und seine Folgen so belastet, dass es zu behandlungsbedürftigen Symptomen, meist im Sinne von Ängsten oder Depressionen, komme.
Laut dem Scoping-Review, in dem zehn Studien eingeschlossen waren, fehlt es an Forschung und vor allem an Erkenntnissen dazu, wie eine erfolgreiche Adaptation an die Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit gelingen kann. Gebhardt zufolge seien Ärzte und Psychotherapeuten in der Verantwortung, ihr Wissen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit zu erweitern, um auch in Zukunft eine bestmögliche Patientenversorgung sicherzustellen.
„Zum anderen verursacht der Gesundheitssektor in Deutschland circa sieben Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen", sagt die Psychologin. „Diese zu reduzieren ist absolut notwendig, denn Klimaschutz ist der wirksamste Gesundheitsschutz."
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