Medizin

BCG-Impfung schützt nicht vor COVID-19

  • Freitag, 3. Februar 2023
/angellodeco, stock.adobe.com
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Utrecht – Der Tuberkuloseimpfstoff BCG, der über einen „Trainingseffekt“ des angeborenen Immunsystems auch vor anderen Infektionen schützen soll, hat in einer größeren Studie aus den Niederlanden die Zahl der Erkrankungen an COVID-19 nicht gesenkt. Die abschließenden Ergebnisse wurden jetzt in Clinical Microbio­logy and Infection (2023; DOI: 10.1016/j.cmi.2023.01.019) publiziert.

Die Studie BCG-PRIME war im September 2020 begonnen worden, als es noch keinen Impfstoff gegen COVID-19 gab. Die Hoffnung war damals, dass eine unspezifische Stimulierung des Immunsystems die älteren Teil­neh­mer auch vor COVID-19 schützen könnte oder wenigstens zu einem schwächeren Verlauf führt.

Diese Annahme stützte sich auf eine Reihe von Beobachtungen, die nach der Einführung des BCG-Impfstoffs in den 1920er Jahren gemacht wurden. Die Sterblichkeit der geimpften Kinder war damals stärker zurückge­gangen als die Zahl der Tuberkulose-Todesfälle.

Spätere Studien hatten bestätigt, dass nach der Impfung auch die Zahl anderer Infektionen sinkt. Immunolo­gen führen dies auf eine unspezifische Aktivierung der angeborenen Immunabwehr zurück, die auch als immunologisches Training bezeichnet wird.

In einer randomisierten klinischen Studie (ACTIVATE), die vor der COVID-19-Pandemie durchgeführt worden war, war es nach der BCG-Impfung bei Senioren zu einem deutlichen Rückgang aller Infektionen um 45 % und der Atemwegsinfektionen um 79 % gekommen (Cell 2020; DOI: 10.1016/j.cell.2020.08.051).

Zwischen September 2020 und Dezember 2021 wurden an 20 Kliniken in den Niederlanden insgesamt 6.112 ältere Menschen (medianes Alter 69 Jahre) mit Begleiterkrankungen auf eine BCG-Impfung oder eine Place­bo-Gruppe randomisiert. Der primäre Endpunkt war die Zahl der bestätigten COVID-19-Fälle oder anderer klinisch relevanter Atemwegserkrankungen.

Wie Eva Koekenbier vom Medizinischen Zentrum der Universität Utrecht und Mitarbeiter berichten, kam es in der BCG-Gruppe zu 129 Erkrankungen gegenüber 115 in der Placebo-Gruppe. Die Hazard Ratio von 1,12 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,87 bis 1,44 nicht signifikant.

Zu COVID-19-bedingten Krankenhauseinweisungen kam es bei 18 BCG- und bei 21 Placebo-Empfängern. Auch hier war der Unterschied mit einer Hazard Ratio von 0,86 (0,46-1,61) nicht signifikant. Während des Studien­zeitraums starben 13 BCG-Empfänger und 18 Placebo-Empfänger, was eine ebenfalls nicht signifikante Hazard Ratio von 0,71 (0,35-1,43) ergibt.

Insgesamt 11 Teilnehmer starben an COVID-19, davon 6 in der Placebogruppe und 5 in der BCG-Gruppe. Klinisch relevante Atemwegsinfektionen traten bei 66 BCG- und 72 Placebo-Empfängern auf (Hazard Ratio 0,92; 0,66-1,28).

Damit war in keinem Endpunkt ein eindeutiger Vorteil der BCG-Impfung erkennbar, und die Schlussfolgerung von Koekenbier kann deshalb nur lauten, dass eine BCG-Impfung ältere Erwachsene mit Begleiterkrankungen nicht vor COVID-19 schützt.

Ohne Schutzwirkung war die BCG-Impfung auch in 2 weiteren randomisierten kontrollierten Studien aus den Niederlanden geblieben. An der Studie BCG-CORONA hatten 1.511 Teilnehmer aus dem Gesundheitswesen teilgenommen (Clinical Microbiology and Infection 2022; DOI: 10.1016/j.cmi.2022.04.009). Die Studie BCG-ELDERLY war an 2.014 älteren relativ gesunden Erwachsenen über 60 Jahren durchgeführt worden (Clinical Infectious Diseases 2022; DOI: 10.1093/cid/ciac182).

Eine Einschränkung ist, dass während der Studie BCG-PRIME die ersten Impfstoffe gegen COVID-19 einge­führt wurden. Bis zum Ende der Studie hatten 71 % der Teilnehmer eine erste Dosis erhalten, bei 31 % war die Grundimmunisierung abgeschlossen. Der spezifische Impfstoff durch die COVID-19-Vakzine könnte einen etwaigen unspezifischen Infektschutz nach einer BCG-Impfung überdeckt haben.

rme

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