Politik

Behandlungsfehler: Bayern und Hamburg wollen bundesweiten Fonds

  • Dienstag, 8. November 2016

München – Die Landesregierungen in Hamburg und Bayern haben eine gemeinsame Bun­desratsinitiative angekündigt, um einen bundesweiten Fonds für die Opfer von Be­handlungsfehlern aufzulegen. Mit der Initiative soll die Einrichtung eines Patienten­ent­schädigungs- und Härtefallfonds (PatEHF) vorangetrieben werden, sagte Staatsminister Marcel Huber heute nach der Kabinettssitzung in München.

Vielen Betroffenen gelinge es „nicht, mit ausreichender Sicherheit nachzuweisen, dass ein Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist“, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. Das Patientenrechtegesetz sei „gerade in diesem Punkt hinter dem Notwendigen zurückgeblieben“, argumentierte sie. Diese Lücke wolle man mit dem Vorstoß schließen.

Der Fonds soll künftig für einen finanziellen Ausgleich sorgen, wenn Geschädigte ihre Er­werbsfähigkeit verlieren und jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen durch­stehen müssen. Derzeit müssen die Betroffenen selbst eine fehlerhafte Behandlung nach­weisen – andernfalls sind die gesundheitlichen und finanziellen Folgen alleine zu tragen.

Um abzuklären, wie ein bundesweiter Patientenentschädigungs- und -härtefallfonds aus­zugestalten wäre, hatte die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucher­schutz bereits 2013 die Bremer Rechtswissenschaftler Dieter Hart und Robert Francke mit ei­nem Gutachten und der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesvorschlags be­auf­tragt.

Deren Entwurf, der aus Sicht von Prüfer-Storcks nach wie vor aktuell ist, sieht ei­ne bun­desmittelbare Stiftung öffentlichen Rechts vor, die den Betroffenen über eine Ent­schä­di­gungskommis­si­on und eine Härtefallkommission helfen kann. Gegenüber bestehenden Verfahren kann der Fonds nach Ansicht der Experten schnell und effektiv für eine Ent­schädigung und gegebenenfalls einen Härtefallausgleich bei Schäden durch medizini­sche Behandlungen im Krankenhaus sorgen.

Vorgesehen ist demzufolge, dass der Fonds hilft, wenn Be­handlungs- und Organisati­ons­fehler oder unbekannte Komplikationen bei einem Eingriff „überwiegend wahrschein­lich“ zu einem erheblichen Schaden geführt haben. Hier soll auch die Belastung der Le­bens­führung der Betroffenen eine Rolle spielen. Der Entschädigungsfonds würde nur dann ein­springen, wenn dem Betroffenen über herkömmliche haftungsrechtliche An­sprüche nicht geholfen werden kann, weil der Behandlungsfehler und/oder der Zu­sammenhang mit dem erheblichen gesundheitlichen Schaden nicht mit der dafür aus­reichenden, weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden konnte.

Vorgesehen ist, die Entschädigungssumme in der Regel auf 100.000 Euro, im Ausnah­me­fall auf maximal 200.000 Euro zu begrenzen. Der Fonds würde auf Antrag der Be­troffenen aktiv. Damit sie aber nicht zu lange auf eine Entscheidung warten müssen, ist eine vorgegebene Entscheidungsfrist geplant. Die Gutachter schlagen vor, dass eine entsprechende Stiftung zunächst mit 100 Millionen Euro ausgestattet wird.

Bei ihrem Vorschlag haben sich die Professoren an schon länger bestehenden Medizin­schadenfondsmodellen, unter anderem in Österreich und Frankreich, orientiert. Den­noch würde mit einer solchen Einrichtung auch gesundheitspolitisches Neuland be­schrit­ten. Entsprechend lautet der Vorschlag der Gutachter, den Fonds in einem ers­ten Schritt auf zehn Jahre befristet anzulegen und ihn wissenschaftlich zu be­gleiten. Erst danach solle über die endgültige Struktur entschieden werden.

„Durch die Bundesregierung wurde der Härtefallfonds mit der Begründung abgelehnt, es gebe kein umsetzbares Konzept. Dies gilt schon lange nicht mehr, was wir durch unsere erneute Bundesratsinitiative ausdrücklich untermauern“, so Senatorin Prüfer-Storcks.

Nach Angaben der Techniker Krankenkasse wird nur jeder siebte angezeigte Behand­lungs­fehler anerkannt. „Es kann nicht sein, dass Patienten mit erheblichen Gesund­heits­verletzungen keine Entschädigung erhalten, nur weil ihnen der arzthaftungs­rechtliche Nachweis nicht gelingt“, teilte dazu die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) mit.

Der Fonds soll aus Bundesmitteln finanziert werden, jährlich werden rund 500 Millionen Euro einkalkuliert. Bayern und Hamburg hoffen auf eine breite Rückendeckung im Bun­desrat.

dpa

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