Behandlungsfehlerstatistik 2016: Aus Fehlern zu lernen ist Teil umfassender Qualitätssicherung

Berlin – Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der deutschen Ärztekammern haben im Jahr 2016 bundesweit 7.639 (2015: 7.215) Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen. Bei 11.559 gestellten Anträgen – die Zahlen gehen seit 2012 sukzessive zurück – wurden in 2.245 (2015: 2.132) Fällen Behandlungsfehler festgestellt. Davon wurde in 1.845 Fällen ein Behandlungsfehler oder Risikoaufklärungsmangel als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete.
Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren Knie- und Hüftgelenksarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. In 400 Fällen lag ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel vor, der jedoch keinen kausalen Gesundheitsschaden zur Folge hatte.
Insgesamt sei die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten durch einen Behandlungsfehler zu Schaden kommen, extrem gering, erklärte Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz (StäKo) der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer, anlässlich der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2016 in Berlin: „Wir wollen nichts bagatellisieren. Hinter jedem Fehler können schwere menschliche Schicksale stehen. Wir müssen die Risiken in der Medizin aber richtig einordnen, um Patienten nicht unnötig zu verunsichern.“
Festgestellten Fehler liegen im Promillebereich
Für Panikmache und Pfuschvorwürfe gebe es keinen Grund: Beides schade der mittlerweile gut etablierten offenen Fehlerkultur in der Medizin. Crusius verwies auf die hohe Gesamtzahl der Behandlungsfälle in Klinik und Praxis. Zwischen den Jahren 2004 und 2015 seien die ambulanten Behandlungsfälle um 160 Millionen auf mittlerweile 696 Millionen gestiegen.
Im stationären Bereich habe sich die Zahl der Behandlungsfälle im gleichen Zeitraum um mehr als 2,5 Millionen auf fast 19,8 Millionen Fälle erhöht. „Gemessen daran liegt die Zahl der festgestellten Fehler im Promillebereich“, so Crusius. Diese Daten der Ärztekammern, so versicherte Kerstin Kols, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, anlässlich der Präsentation der Behandlungsfehlerstatistik, seien absolut valide, weil sie auf realen Fällen beruhten.
Deutschland ist hochinnovativ in puncto Qualitätssicherung
„Auch wenn diese Daten nicht das gesamte Behandlungsgeschehen abdecken, kann man mit ihnen arbeiten und wirksam Fehlerprävention betreiben“, betonte Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin und Ärztlicher Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern. Um zu verdeutlichen, wie das Thema Patientensicherheit und Qualitätssicherung im ärztlichen Alltag gelebt wird, sagte er: „Die Medizin in Deutschland ist hochinnovativ. Das gilt nicht nur für Diagnostik und Therapie, sondern auch für den Bereich der Fehlerprävention und Qualitätssicherung.“
Auch wenn keine Fehler eintreten, müsse man die Dinge verbessern“, erläuterte Schaffartzik das der Qualitätssicherung zugrunde Prinzip ärztlichen Handelns. In diesem Zusammenhang verwies er auf die sehr angespannte Personalsituation in den Kliniken. „Deshalb begrüßen wir die Gesetzesinitiative des Bundesgesundheitsministers, für eine mindestnotwendige Personaldecke in den Krankenhäusern zu sorgen.“ Schließlich gehöre das Gesundheitswesen zur Daseinsvorsorge des Staates. Ein Gesundheitssystem, in dem „aus Sozialbeiträgen Geld verdient wird“, sei „eine total falsche Entwicklung, die abgestellt werden muss“.
Vielfältige Maßnahmen zur Steigerung der Patientensicherheit
Die Ärzteschaft, so betonte der StäKo-Vorsitzende Crusius, halte neben der Maßgabe, „aus Fehlern zu lernen“ weiterhin an dem Prinzip der Verbesserung der medizinischen Versorgung und zur Steigerung der Patientensicherheit fest. Verfahren wie Qualitätszirkel, Peer-Reviews, prä- und perioperative Checklisten, aber auch Konsile, Tumor-, Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen gehörten zum ärztlichen Alltag.
Im Falle von Fehlern, so betonten die Fachleute gegenüber der Presse, könnten sich Patientinnen und Patienten an die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden. Dort seien hochqualifizierte Fachgutachter tätig, die gemeinsam mit Juristen prüfen, ob ein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt sei oder nicht. Es genüge ein formloser Antrag.
Das Gutachten sowie die abschließende Bewertung seien überdies für Patienten kostenfrei. Die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen würden häufig von beiden Parteien akzeptiert und die Arzthaftungsstreitigkeiten auf diesem Weg beigelegt. Der Weg zur Klage stünde den Beteiligten auch nach Gutachten und Schlichtung weiterhin offen. Die Erfahrung zeige, dass die Gutachten der Kommissionen vor Gericht häufig bestätigt werden.
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