Bei Augenentzündungen auch an exotische Krankheitserreger denken

München/Berlin – In Anbetracht von Klimawandel, Migration und weltweiter Mobilität sollten Augenärzte bei entzündlichen Augenerkrankungen auch hierzulande an infektiöse Ursachen denken, die bisher fast ausschließlich in Afrika oder Asien in Frage kamen.
Darauf hat Carsten Heinz, Leitender Arzt am Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital Münster, im Vorfeld des 118. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) hingewiesen.
„Zusätzlich zu neu auftretenden viralen Infektionserkrankungen mit okulärer Beteiligung finden sich außerdem wieder zunehmend ehemals in den Hintergrund getretene bakterielle Erkrankungen wie eine Tuberkulose“, ergänzte Heinz. Unbehandelt können diese Erkrankungen Sehschäden bis hin zur Erblindung verursachen.
Die wesentliche Schwierigkeit für Augenärzte sieht Heinz im Erkennen solcher Infektionen. „Das Auge hat nicht viele Möglichkeiten, auf Probleme hinzuweisen“, so der Münsteraner Ophthalmologe.
Tigermücke trägt virale Infektionserreger bis nach Süddeutschland
Bei einer leichten Entzündung, unspezifischen Symptomen wie einem Druckgefühl oder einer vorübergehenden Rötung des Auges liege die Herausforderung angesichts der Seltenheit in hiesigen Breitengraden in der raschen Diagnose.
Neue Erreger, die eine Entzündung der Choroidea mit diesen Symptomen auslösen können, sind zum Beispiel Dengue-, Chikungunga-, West-Nil- und Zika-Viren. Sie alle werden von Tigermücken übertragen, die ursprünglich in Afrika und Asien heimisch waren, aufgrund des klimatischen Wandels in Südeuropa sesshaft wurden und sich derzeit auf dem Sprung nach Süddeutschland befinden.
Betroffen von solchen viralen Augeninfektionen, die bis hin zu einer schweren Netzhautinfektion mit dauerhaftem Verlust der Sehkraft führen können, sind bislang vor allem Reiserückkehrer und Menschen mit Migrationshintergrund.
„Neben der Untersuchung ist daher das Gespräch mit dem Patienten, die Anamnese, entscheidend“, so Heinz. Betroffene, die unter solchen Beschwerden leiden, sollten den Augenarzt über ihr Herkunftsland oder Reiseaktivitäten informieren.
Therapeutisch bestehe die Möglichkeit, die Symptome mit Kortisonpräparaten zu behandeln, um sekundäre Schäden zu verhindern. Eine kausale Therapie oder eine prophylaktische Impfung stünden nicht zur Verfügung.
Chlamydien aus Afrika verursachen narbige Bindehautinfektionen
Ursache einer Augenentzündung kann aber auch eine bakterielle Infektion mit einem Chlamydientyp sein, der in Afrika vorkommt und sich in Form einer schwer vernarbenden Bindehautentzündung zeigt.
„Wird ein solches Trachom rasch erkannt, hilft eine antibiotische Therapie“, so Heinz. Doch Augenärzte in Deutschland würden mit diesen Patienten üblicherweise erst im fortgeschrittenen Stadium konfrontiert. Dann kann eine Operation erforderlich sein, um die Narben zu lösen und eine Erblindung zu verhindern.
Im Gegensatz zu den in Europa bekannten Chlamydieninfektionen geht diese Erkrankung nicht auf die Geschlechtsorgane über. Sie wird durch direkten Kontakt mit Tränenflüssigkeit übertragen, in Afrika ebenfalls durch Fliegen, die ins Auge gelangen.
Migration bringt Rückkehr der Augen-Tuberkulose
Die Lungenerkrankung Tuberkulose spielt dank verbesserter Lebens- und Hygienebedingungen kaum noch eine Rolle in Deutschland. Doch Tuberkulose kann sich in Form einer Entzündung der Uvea auch an den Augen zeigen, als tuberkuloseassoziierte Uveitis.
„Durch die Migration aus Risikogebieten, wozu auch Russland und Osteuropa zählen, sehen die Ophthalmologen diese Augen-Tuberkulose hierzulande wieder häufiger“, berichtete Heinz. Die Erkrankung wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und führt unbehandelt zur Erblindung.
Die Augen-Tuberkulose wird ebenso behandelt wie die Lungentuberkulose. Die zur Verfügung stehende antibakterielle Therapie berge allerdings aufgrund der langen Therapiedauer und der zahlreichen unerwünschten Wirkungen insbesondere bei Patienten mit Migrationshintergrund weitere Herausforderungen.
Das Spektrum der infektiösen Augenerkrankungen hat sich durch Migration und Klimawandel verändert, und wird sich weiter verändern, prognostizierte Heinz. Auf diese Herausforderung müssten sich Augenärzte auch künftig einstellen.
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