Bereitschaftsdienste zählen als Arbeitszeit

Luxemburg – Bereitschaftsdienste, bei denen Arbeitnehmer innerhalb kurzer Zeit für einen Einsatz zur Verfügung stehen müssen, zählen als Arbeitszeit. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden (Rechtssache C 518/15). Hintergrund des Urteils war der Fall eines belgischen Feuerwehrmanns aus Nivelles. Dieser pocht in seiner Klage gegen die Stadt darauf, dass seine daheim geleisteten Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit anzusehen seien. Das zuständige Arbeitsgericht in Brüssel fragte zu dem Fall den EuGH an.
Dessen Richter stellten nun klar, dass es als Arbeitszeit anzusehen ist, wenn der Feuerwehrmann wie vom Arbeitgeber vorgegeben im Falle eines Notrufs binnen acht Minuten auf der Wache sein muss. Sie begründeten dies damit, dass sich der Mann in diesen Zeiten nur eingeschränkt anderen Tätigkeiten widmen könne. Das unterscheide sich deutlich von Arbeitnehmern, die während Bereitschaftsdiensten für den Arbeitgeber lediglich erreichbar sein müssten.
Definition von Arbeitszeit ist nicht abänderbar
Zu der Frage, inwiefern Bereitschaftsdienste vergütet werden müssen, äußerte sich der EuGH nicht. Dafür seien nicht EU-Regeln, sondern nationale Regeln ausschlaggebend, hieß es. In Deutschland müssen Bereitschaftsdienste mit dem Mindestlohn entgolten werden. Das hatte das Bundesarbeitsgericht 2016 entschieden. Verdienen Arbeitnehmer mit ihrer Vollarbeitszeit mehr als den Mindestlohn, kann die Bezahlung für Bereitschaftsdienste aber wiederum geringer ausfallen.
Das Urteil umfasst noch einen zweiten Aspekt. So hat der EuGH klargestellt, dass es den EU-Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, eine weniger restriktive Definition des Begriffs „Arbeitszeit“ beizubehalten oder einzuführen als die in Artikel 2 der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Der Richtlinie zufolge ist Arbeitszeit „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“.
„Der Europäische Gerichtshof hat in ungewöhnlich deutlichen Worten all jene in die Schranken gewiesen, die am Arbeitszeitbegriff herummanipulieren und Bereitschaftsdienste neu definieren wollen“, sagte Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes (MB). Wer außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit auf Abruf seinem Arbeitgeber zur Verfügung stehe, sei erheblich in seiner Tagesplanung eingeschränkt.
„Hier darf es keine rechtlichen Schlupflöcher geben“, bekräftigte Botzlar. Der MB betonte zudem, der EuGH habe die gültige Definition von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften, wie sie auch in den vom Marburger Bund verhandelten Tarifverträgen für angestellte Ärztinnen und Ärzte zum Ausdruck komme, bestätigt.
Eine endgültige Entscheidung über den Fall des belgischen Feuerwehrmanns muss nun das zuständige Brüsseler Gericht treffen. Die Entscheidung des EuGH-Richter ist den Angaben zufolge auch für andere nationale Gerichte, die mit ähnlichen Fragen befasst sind, bindend.
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