BGH: Vermuteter Behandlungsfehler stoppt Verjährung

Karlsruhe – Der Antrag auf Schlichtung im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers bei einer Ärztekammer stoppt die Verjährung von Schadensersatzansprüchen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich (Az.: VI ZR 239/15) entschieden, wie die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) heute mitteilte.
Laut BGH hemme bereits der Antrag auf Schlichtung die Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren. Das notwendige Einvernehmen zwischen den Parteien werde „unwiderleglich vermutet“, wenn es sich um eine „branchengebundene Gütestelle“ handelt. Das sei bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern der Fall, so das Gericht. Beendet ist die Hemmung, also Unterbrechung der Verjährungsfrist, laut BGH-Urteil „sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahren“.
Vorwürfe können nicht ausgesessen werden
Die Schlichtung vor einer „branchengebundenen Gütestelle“ wie der Ärztekammer biete für den Patienten den wesentlichen Vorteil, dass er nicht unter zeitlichen Zugzwang gerate, erklärte die Kammer. Dabei müssten der Arzt oder seine Versicherung nicht erst einer Schlichtung zustimmen. „Der Arzt kann also Vorwürfe nicht einfach aussitzen“, sagte ÄKWL-Präsident Theodor Windhorst. Er betonte, die Entscheidung sei ein Schritt in die richtige Richtung, um bei Behandlungsfehlervorwürfen den betroffenen Patienten nicht unter Zeitdruck zu setzen.
Windhorst wies zugleich darauf hin, dass sich die Arbeit der Gutachterkommission für Arzthaftpflichtfragen der Ärztekammer Westfalen-Lippe in den zurückliegenden vier Jahrzehnten bewährt habe. „Sie dient bei einem angenommenen ärztlichen Behandlungsfehler einer möglichst umfassenden und frühen außergerichtlichen Klärung der Sachverhalte und trägt zur Stabilisierung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient bei.“ Zudem fänden die Ergebnisse der Gutachterkommission Eingang in das Fehlervermeidungsmanagement der Ärztekammer, so etwa bei dem Berichtssystem für kritische Vorkommnisse CIRS. Auch würden ausgewählte Fälle in den kammerinternen Medien beispielhaft dargestellt.
„Fehler können passieren, dürfen sich aber nicht wiederholen. Qualifizierte Fachgutachten der Kommission und unser Fehlermanagement sollen das gewährleisten“, erläuterte Windhorst. Zudem wolle die Ärztekammer mehr Transparenz schaffen. Ziel sei es, den offenen Umgang mit potentiellen Falschbehandlungen zu fördern, so Windhorst. Denn das bedeute nicht nur einen verbesserten Patientenschutz, sondern auch mehr Sicherheit für Ärzte.
Der Ärztekammerpräsident machte deutlich, dass es bei Auseinandersetzungen zwischen Patienten und Ärzten nicht darum gehe, zugunsten der Ärzte einzugreifen und Ansprüche abzuwehren. Vielmehr solle die fachliche Unterlegenheit des Patienten ausgeglichen werden, um den berechtigten Aufklärungsanspruch sowohl des Patienten als auch des Arztes neutral zu berücksichtigen.
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