Ausland

Brexit gefährdet britischen Gesundheitssektor

  • Mittwoch, 23. Dezember 2020
/dpa
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London – Der Gesundheitsversorgung in Großbritannien drohen einer neuen Untersuchung zufolge schwe­re Folgen wegen des Brexits. Neue Einwanderungsregeln würden Pflegepersonal abhalten, der Transport von Medikamenten und Medizintechnik könne gefährdet sein, heißt es in dem kürzlich ver­öffentlichten Bericht des auf Gesundheit spezialisierten Thinktanks Nuffield Trust.

Auch die schwache Konjunktur sowie Hindernisse für Investitionen in die Wissenschaft träfen die Bran­che. „Die gefährlich ungewisse Zukunft, mit der Großbritannien am Ende der Brexit-Übergangsphase konfrontiert ist, könnte das britische Gesundheits- und Pflegesystem gefährden.“

Großbritannien ist Ende Januar 2020 bereits aus der Europäischen Union (EU) ausgetreten, zum Jahresende verlässt das Verei­nigte Königreich nach einer Übergangsphase auch den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Vor allem der Pflegesektor werde es schwer haben, so die Autoren.

Neue Vorschriften verhinderten die Zuwanderung dringend benötigter Fachkräfte. Bereits wegen der Co­ronapandemie sei die Zuwanderung „dramatisch verlangsamt“ worden. Im vierten Quartal 2019 hätten noch mehr als 190.000 Menschen aus der EU und Drittstaaten eine Versicherungsnummer beantragt, die vor allem für eine Arbeitserlaubnis notwendig ist. Im zweiten Quartal 2020 waren es demnach nur noch gut 55.000 Anträge.

Der Studie zufolge ist bisher unklar, welche Vorkehrungen die britische Regierung getroffen habe und welche Auswirkungen es haben werde, wenn es wegen neuer Zollregeln zu längeren Staus komme als bisher gedacht. Grenzbeschränkungen wegen der Ausbreitung des Coronavirus seien in den Plänen nicht bedacht.

„Die Gesundheit der Öffentlichkeit könnte durch eine anhaltende wirtschaftliche Abkühlung, die zu einem niedrigeren Lebensstandard und verstärkten öffentlichen Ausgaben führt, direkt verschlechtert werden“, heißt es in der Studie weiter. „Diese Risiken würden die am stärksten gefährdetsten Menschen zuerst treffen.“

Angesichts der angespannten Lage wegen der Pandemie hat der staatliche britische Gesundheitsdienst NHS die Regierung in London aufgerufen, die Brexit-Übergangsphase zu verlängern. Eine einmonatige Verlängerung der Übergangsphase würde die Gefahr eines chaotischen Brexit verringern und damit die bereits überlasteten Krankenhäuser im Land aus der „unmittelbaren Gefahrenzone“ nehmen, erklärte die NHS-Führung heute in einem Schreiben an den britischen Premierminister Boris Johnson.

Mit einem Einlenken solle Johnson verhindern, dass „störende Veränderungen“ im Rahmen eines No-Deal-Szenarios den NHS treffen, während er in der ohnehin arbeitsreichsten Zeit im Jahr „mit der größ­ten Herausforderung in seiner Geschichte" zu kämpfen habe, hieß es in dem Appell weiter.

Der NHS werde vielleicht nicht als Akteur am Post-Brexit-Verhandlungstisch wahrgenommen, „aber die zerstörerischen Schockwellen eines No-Deal-Ergebnisses könnten die Funktionsfähigkeit des NHS über den Rand stoßen“, erklärte der Dachverband NHS Confederation.

dpa/afp

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