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Brief an Spahn: G-BA bietet Liposuktion bei Lipödem als befristete Kassenleistung an

  • Freitag, 25. Januar 2019
/hin255, stockadobecom
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Berlin – Die Liposuktion bei Lipödem soll für Patientinnen im Stadium drei ab dem 1. Januar 2020 zunächst befristet bis 2024 zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden können. Mit diesem Vorschlag hat sich Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), heute an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gewendet. Der Brief liegt dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vor. Zuerst hatte die Funke-Mediengruppe berichtet.

Die Prüfung der Liposuktion bei Lipödem für Frauen mit Stadium eins und zwei soll dem Vorschlag zufolge nach Abschluss einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT) erfolgen. Voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2020 könnten die ersten Patientinnen im Rahmen der Studie operiert werden, heißt es in dem Brief.

Darin betont der unparteiische Vorsitzende, dass bislang für die Einführung der Liposuktion beim Lipödem eine geeignete Bewertungsgrundlage fehlt. Demgegenüber stehe das Anliegen, betroffenen Frauen die Leistung schnellstmöglich verfügbar zu machen. In „unbegrenztem Umfang“ sei das aber „aufgrund der unklaren Nutzen-Risiko-Relation des Eingriffs nicht zu rechtfertigen“, schreibt Hecken. Zudem käme die geplante vergleichende Studie nicht mehr zustande, wenn die Leistung in unbegrenztem Umfang auch anderweitig als in Stadium drei zulasten der GKV erbracht würde. „Eine Klärung des Nutzens wäre damit nicht mehr möglich“, so der G-BA-Chef.

Frauen mit Lipödem im Stadium drei sind laut G-BA „besonders schwer betroffen von der dringlichen Behandlungsindikation“, hätten den höchsten Leidensdruck und für sie gebe es „keine akzeptablen therapeutischen Alternativen“. Der G-BA stuft das Stadium drei bei Lipödem als seltene Erkrankung (< 5:10.000) ein. Hecken wies zugleich darauf hin, dass das Lipödem im Stadium drei schwierig zu operieren sei. „Der Eingriff geht mit nicht zu vernachlässigenden peri- und postoperativen Risiken einher“, heißt es in dem Brief an den Minister. Eine begleitende Dokumentation solle daher bei den operierten Frauen die wichtigsten Parameter zur Sicherheit des Eingriffs erfassen.

G-BA will Regeln für Leistungserbringer festlegen

Hecken schlägt Spahn zugleich vor, dass der G-BA in einer Richtlinie Vorgaben zu den Strukturqualitätsanforderungen an die Leistungserbringer einschließlich der Vorgabe einer verbindlichen standardisierten Dokumentation jedes Eingriffs und einer Verlaufsdokumentation durch den Operateur nach sechs Wochen und nach zwölf Monaten regelt. Für die Verlaufsdokumentation sollen gesonderte Abrechnungsziffern im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) geschaffen werden. Hecken betonte, es sei in erster Linie das Ziel, eine Datenerfassung zu Risiken und unerwünschten Ereignissen zu gewährleisten.

Der Vorschlag aus dem G-BA soll einen kürzlich eskalierten Streit lösen. Spahn hatte in einem Änderungsantrag zum geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgeschlagen, dem Gesetzgeber in Ausnahmefällen zu erlauben, auch unabhängig vom Votum des G-BA Leistungen für die GKV festzulegen. Das hatte in der Großen Koalition und der gemeinsamen Selbstverwaltung zu erheblichen Protesten geführt.

Laut Bundesgesundheitsministerium wird das Vorhaben zwar nun zurückgenommen. Allerdings will Spahn die Verfahren im G-BA künftig deutlich beschleunigen. Dafür sollen die Fristen verkürzt werden, in denen der G-BA Anträge bearbeiten muss. Vorgesehen ist dem Vernehmen nach eine Verkürzung von drei Jahren auf zwei Jahre. Hält der G-BA diese Fristen nicht ein, will das Ministerium über die Aufnahme in den GKV-Leistungskatalog entscheiden.

Der Minister sprach heute von einer „guten Nachricht“ für Tausende Frauen, die unter krankhaften Fettverteilungsstörungen leiden. „Endlich hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss bewegt und ermöglicht Hilfe für die besonders betroffenen Patientinnen“, sagte Spahn der Funke-Mediengruppe.

Hintergrund für den Ärger beim Ministerium sind auch Fristen, die vom G-BA immer wieder nicht eingehalten werden. Bei der Bewertung der Liposuktion bei Lipödem beispielsweise hatte die Patientenvertretung 2014 eine Prüfung beantragt. 2017 hatte der G-BA „Behandlungspotenzial“ festgestellt, aber entschieden, dass die Studienlage noch nicht ausreicht. Die sollte ab 2020 starten, Ergebnisse könnten ab 2022 vorliegen.

Ähnlich sieht die Lage bei anderen Verfahren aus. Beispiel Positronenemissions­tomografie (PET): Antrag für stationäre Versorgung vom 14. März 2003, Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für eine vertragsärztliche Versorgung vom 24. Januar 2006. Das Verfahren ist zu einer Reihe von Indikationen noch nicht abgeschlossen.

Weitere Beispiele sind die neuropsychologische Therapie, dessen Bearbeitung sich acht Jahre bis zur Beschlussfassung hinzog, oder auch der biomarkerbasierte Test beim Mammakarzinom, der seit 2013 im G-BA berarbeitet wird. Die Beispiele fußen auf einem Bericht des G-BA für den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags, der dem vorliegt. Als weiteres generelles Beispiel für Fristüberschreitungen des G-BA gilt die seit dem 31. Dezember 2016 abgelaufene Frist zur Einführung der DMP Rückenleiden und Depression.

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