Eingriffe per Ministerbescheid in die Selbstverwaltung sollen Ausnahmefälle sein

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seine Pläne untermauert, per Ministerbescheid des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu verankern. Spahn betonte allerdings, es solle sich um Ausnahmefälle handeln, wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) heute sagte.
Grundsätzlich spiele die Selbstverwaltung im Gesundheitssystem eine wichtige Rolle. „Das soll auch so bleiben. Aber wenn sie nicht entscheidet, muss der Gesundheitsminister den konkreten Konflikt lösen können. Dafür hat er die Rechtsaufsicht. Und dafür hat er auch die demokratische Legitimation“, sagte Spahn.
Er betonte, es sei wichtig, dass das Gesundheitswesen funktioniere und sich Patienten darauf verlassen könnten. „Die Selbstverwaltung erledigt viel. Doch für manche Entscheidungen braucht sie zu lange. Ich bin Fan einer funktionierenden Selbstverwaltung“, so der Minister. Es sei „gut, solange sie entscheidet“.
Lipödembehandlung soll Kassenleistung werden
Bei der Frage der Behandlung von Frauen, die an dem Lipödem erkrankt seien, habe sich die Selbstverwaltung allerdings „selber blockiert“. Dies habe das Thema „fast zehn Jahre vor sich herschieben“ wollen. „Das geht nicht. Da würden Zehntausende Patientinnen unnötig hingehalten“, monierte Spahn.
Grundsätzlich bezeichnete er den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das oberste Gremium der Selbstverwaltung, als „ein bewährtes Instrument“. Es seien „nur Mechanismen“ notwendig, „um sicherzustellen, dass es funktioniert“.
Spahn kündigte in dem Gespräch mit der FAZ auch im Hinblick auf Regelungen für Ärzte Korrekturen beim Terminservice- und Versorgungsgesetz an. Man könne manche Ziele besser erreichen, indem man mehr Verantwortung in die Region geben, sagte der Minister, der erneut auf eine Lösung im Streit um eine gestufte Versorgung von Patienten zur Psychotherapie hinwies.
Die Therapeuten hätten die Sorge, dass man zum Delegationssystem zurückkehren wolle, so Spahn. „Das ist nicht so. Und deshalb macht es Sinn, das anders zu formulieren“. Spahn hatte dies bereits am vergangenen Donnerstag auf dem Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft in Berlin anklingen lassen.
Spielraum für Beitragssenkungen
Darüber hinaus sieht Spahn offenbar auch weiteren Spielraum für Beitragssenkungen der gesetzlichen Krankenversicherung. „Mit fast 30 Milliarden Euro Rücklagen im Gesundheitsfonds und bei den Kassen ist da schon noch Spielraum“, sagte Spahn der FAZ.
Seit Januar seien die Zusatzbeiträge der Krankenkassen für fast 20 Millionen Mitglieder gesunken. Das sei ein wichtiges Signal an die Menschen, die arbeiteten und damit den „Laden am Laufen“ hielten. „Auch für die nächsten Jahre gilt: Die Kassen sollen Rücklagen haben, aber kein Geld horten.“
In Bezug auf Kostensteigerungen im Gesundheitswesen betonte der Minister, man dürfe das Gesundheitswesen nicht nur als Konsument von Gelder betrachten. „Hier arbeiten 5,5 Millionen Menschen. Sie erwirtschaften zwölf, 13 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Konsumimpulse, die im Gesundheitswesen gesetzt werden, sorgen für Wachstumsimpulse in anderen Bereichen“, erklärte Spahn. Ebenso gelte: Wer im Gesundheitswesen spare, sorge für negative Wirkungen in anderen Wirtschaftsbereichen.
Dennoch müsse man sich Effizienzpotenziale anschauen. „Das Thema wird auch im neuen Jahr eine Rolle spielen“, kündigte der Minister an. Das betreffe beispielsweise neue und sehr hochpreisige Gentherapien. „Da kann eine Behandlung schnell deutlich mehr als 300.000 Euro kosten. Da müssen wir ein besseres Korsett schneidern“, sagte Spahn.
Beispielsweise eröffneten Biosimilars ein großes Einsparpotential. „Allein die Tatsache, dass das Patent für das Rheumamittel Humira abgelaufen ist, spart den deutschen Krankenkassen bis zu 600 Millionen Euro im Jahr“, sagte Spahn. Das wiege die absehbaren Zusatzausgaben, die ihre Regierung beschossen hat oder beschließen will, bei weitem nicht auf.
Reformpläne beim Risikostrukturausgleich
In einer Antwort auf eine Frage zum Risikostrukturausgleich, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf seiner Internetseite präsentiert, die aber in dem Interview der FAZ sowohl in der Printausgabe als auch online nicht auftaucht, kündigt Spahn an, „bald einen Reformvorschlag“ vorzulegen.
Ziel sei es, „die Unwuchten im System abzubauen, den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fairer zu gestalten“. Die Krankenkassen benötigten dort das Geld, wo ihre Versicherten auch versorgt würden – und nicht dort, wo keine Ausgaben drohten. „Darüber reden wir gerade mit den Koalitionsfraktionen“, sagte Spahn. Er werde einen Vorschlag dazu unterbreiten, „an dem sich dann wohl wieder alle anderen abarbeiten werden“. Aber ansonsten passiere nichts.
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