Bundesärztekammer arbeitet an Konzept zur Patientensteuerung

Berlin – Die Bundesärztekammer (BÄK) befasst sich in einer Arbeitsgruppe mit dem Thema Patientensteuerung in der Medizin. Das Thema gehe man im Nachgang zum vergangenen Deutschen Ärztetag in Mainz an, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt im aktuellen Podcast „Sprechende Medizin“. In einem halben Jahr könnte es erste Ergebnisse geben.
Der Grundgedanke der freien Arztwahl wird dabei nicht angetastet. „Die freie Arztwahl halten wir für ein wichtiges Element des Gesundheitswesens. Die kann auch bei einem gesteuerten und stärker regulierten System erhalten bleiben. Das ist kein Widerspruch“, sagte Reinhardt.
Ansonsten solle die Arbeitsgruppe sich ein halbes Jahr lang Gedanken darüber machen, was man im Detail tun könne. Reinhardt zufolge könnte es dabei etwa um Malus und Bonusregelungen gehen, die man „mal im Rahmen eines Pilotprojekts in einem KV-Bereich ausprobieren“ könnte. Ebenso geht es um die Frage von Hausarztmodellen. Reinhardt zufolge sei es lange Zeit von fachärztlicher Seite als sehr problematisch angesehen worden, über das Gatekeeping des Hausarztes nachzudenken.
Richtig sei, dass man das Thema „wirklich differenziert anschauen“ müsse. So sei es etwa unsinnig, wenn eine Frau, die ein gynäkologisches Problem habe, notwendigerweise immer erst zu einem Hausarzt gehen müsse. Des gelte auch, wenn jemand ein Augenproblem habe. „Aber wenn jemand unspezifische Beschwerden hat, die nicht zuordbar sind, wie Bauschmerzen, glaube ich, ist er gut bei jemandem aufgehoben, der ihn allgemeinärztlich anguckt“, so Reinhardt.
„Wir sind noch weit davon entfernt, ein wirklich gutes, systematisch sinnvolles Programm an der Stelle bieten zu können, aber wir setzen uns damit auseinander“, sagte er weiter und betonte, dass es alleine gut sei, die Sinnhaftigkeit einer Regulierung zu erkennen.
Effizienzen sind für ihn auch an anderer Stelle im System zu heben. Der BÄK-Chef nennt beispielhaft die Regelung, dass Diabetiker im Rahmen von speziellen Programmen mindestens acht Mal im Jahr ihren Arzt sehen müssten. Je nach Patient sei das aber nicht zwingend erforderlich. Man müsse sich „bis auf eine solche Detailtiefe“ mit der Frage befassen. Da sei „noch sehr viel Luft nach oben“.
Das könne auch Luft für Patienten schaffen, die derzeit von Ärzten abgewiesen würden, weil diese keine Kapazitäten hätten. Für den BÄK-Präsidenten ist das eine „Entwicklung, die wir seit einigen Jahren beobachten können und sie nimmt kontinuierlich ganz langsam zu“. Es sei notwendig, sich auf die doppelten demografischen Herausforderung – steigende Morbiditätslast auf der einen Seite und geringere Versorgungszeit durch Ruhestand und teilweise geringere Arbeitszeiten – einzustellen und Lösunge zu entwickeln.
Der Gesundheitsökonomen Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld, der beim Podcast mit Reinhardt über Probleme in der Versorgung spricht, unterstreicht das. Die hausarztzentrierte Versorgung zeige, dass man mehr Hausarzttermine habe und Facharzttermine „wesentlich koordinierter“ seien. Es sei ein effizienterer Umgang mit den Ressourcen. Er betonte, dass fast alle die Grundannahme teilen würden, dass eine solche Steuerung sinnvoll sei. „Die Frage ist, wie weit gehen wir mit der Regulierung.“
Greiner sieht es ebenfalls so, dass man mit Incentives, wie Prämien oder dem Wegfall einer möglichen Selbstbeteiligung, arbeiten könnte. „Damit würde ich zumindest mal in einigen KV-Bereichen experimentieren“, sagte er. Wichtig sei dabei zu sehen, wie die Menschen darauf reagierten. Sonst komme es wieder zu einer Art Präventionsdilemma. „Diejenigen, die es ohnehin richtig machen, nehmen es mit, und die, die es falsch machen, die man erreichen will, die erreichen wir trotzdem nicht.“
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