Ärzteschaft

Kooperation kann Kapazitätsprobleme im Gesundheitswesen lösen

  • Mittwoch, 8. Mai 2024
Wolfgang Greiner, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld. /Gebhardt
Wolfgang Greiner, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld. /Gebhardt

Mainz – Mehr Kooperation im Gesundheitswesen kann Kapazitätsprobleme beheben. Das betonte Wolfgang Greiner, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld, heute beim 128. Deutschen Ärztetag.

Eine bessere Koordination in der Patientenversorgung sei für die Qualität der Versorgung aber auch deren Effizienz essenziell. Schlüsselfaktoren seien eine konsequente Digitalisierung und eine Angleichung der Rahmenbedingungen der Sektoren, so Greiner. Vor allem die elektronische Patientenakte (ePA) biete das Potenzial, die Perspektive verschiedener Leistungserbringer zusammenzubringen und die Patientenversorgung zu verbessern.

Er kritisierte, dass es zwar viele Einzelregularien gebe, die die Sektorentrennung überwinden sollen. Es fehle aber ein Gesamt­konzept, so Greiner. Für dieses brauche es kein „blindes Einführen“, sondern ein Abwägen von Kosten und Nutzen. So seien bereits etwa mit den Hybrid-DRG oder dem AOP-Katalog einige Maßnahmen in der Umsetzung, so Greiner.

Er warnte jedoch auch davor, dass sie nicht funktionieren würden, wenn die Rahmenbedingungen nicht zusammenpassten. Koordination müsse dazu führen, dass knappe Ressourcen voll ausgeschöpft werden könnten.

Koordination im Gesundheitswesen ist auch aufgrund höherer Arbeitsteilung und verstärkter Delegation von Aufgaben, Kom­petenzen und Verantwortung für die Patientenversorgung wichtig, sagte Greiner. Sie werde dafür benötigt, Arbeitsabläufe besser aufeinander abzustimmen und Doppelarbeit zu vermeiden.

Koordination führe zudem dazu, dass Ziele bewusst gemacht werden könnten und in der täglichen Arbeit einheitlich ange­wandt würden. Eine Überprüfung auf Verbesserungsmöglichkeiten sei zudem wichtig. Hierfür seien medizinische Leitlinien bereits ein gutes Instrument, so Greiner. Koordination gleiche darüber hinaus Wissens- und Wahrnehmungsunterschiede unter den Organisationsmitgliedern aus, um eine optimale Lösung für Patientinnen und Patienten zu erhalten.

Knappe Ressource Zeit beachten

Greiner räumte hingegen ein, dass entsprechende Koordination vor allem Zeit koste. Die zeitliche Ressource sei aber die knappste im Gesundheitswesen. Mehr Koordination bedeute hohe Abstimmungskosten, die etwa mehr Gespräche oder mehr Digitalisierung oder auch mehr Regeln bedeuten würden.

Wer allerdings auf Koordination verzichte, verursache Autonomiekosten. Wichtig sei daher, das Optimum zwischen organisato­rischer Effizienz bei optimalen Koordinationsgrad zu finden, so Greiner. Deshalb müsste auch im Gesundheitswesen immer abgewogen werden, welchen Nutzen eine bestimmte Maßgabe biete.

Im Gesundheitswesen gebe es viele Koordinationsaspekte, etwa zwischen dem ambulanten oder stationären Bereich oder zwischen den Versorgungsebenen, also wann ein Patient in die Grundversorgung oder in höhere Versorgungsstufen überwie­sen werde. Für eine funktionierende Steuerung sei es essenziell, eine entsprechende Abdeckung der Honorarsysteme zu haben, betonte Greiner.

Mehr Abstimmung wird durch Krankenhausreform wichtiger

In Zukunft werde die Abstimmung zwischen verschiedenen Regionen wichtiger, sagte Greiner im Hinblick auf die geplante Krankenhausreform. Diese sieht vor, Leistungen mithilfe von Leistungsgruppen an bestimmten Standorten zu konzentrieren. Denn nicht mehr in allen Regionen könne künftig alles angeboten werden, sagte Greiner.

Koordination erfordere klare Strukturen. Die hausarztzentrierte Versorgung sei etwa in anderen Ländern sehr viel verbreiteter als in Deutschland, so Greiner. Eine gut implementierte Steuerung durch Hausärztinnen und Hausärzte führe internationalen Studienergebnissen zufolge zu weniger Krankenhausaufenthalten.

„Wenn wir wollen, dass sich die Koordinierung insgesamt verbessert, dann muss man anders denken“, betonte Greiner. Die Be­darfsplanung müsse stärker berücksichtigt werden. Neue Ideen wie etwa Gesundheitslotsen, Gesundheitskioske und primär­ärztliche Versorgungszentren müssten geprüft, evaluiert und eine Chance bekommen. Insbesondere die Versorgungszentren seien aus Greiner Sicht eine Möglichkeit, die Versorgung zu verbessern.

cmk

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