Bundesrat billigt Pflegereform

Berlin – Der Bundesrat hat heute das Pflege-Neuausrichtungsgesetz gebilligt. Damit ist er nicht dem Gesundheitsausschuss des Bundesrates gefolgt, der empfohlen hatte, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel anzurufen, das Gesetz grundlegend zu überarbeiten.
Der Gesundheitsausschuss hatte unter anderem kritisiert, dass mit der Reform kein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt wird. Zudem sei die Finanzierung der Pflegeversicherung nur bis zum Jahr 2015 gesichert. Und er lehnte die private Pflege-Zusatzversicherung, den sogenannten Pflege-Bahr, ab (Bundesrats-Drucksachennummer 488/1/12).
Die Pflegereform kann nun zum 1. Januar 2013 in Kraft treten. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigte sich zufrieden: „Jetzt können die Verbesserung für Pflegebedürftige und deren Angehörige kommen.“
Mit dem Gesetz erhalten Patienten mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, zum Beispiel Demenzkranke, künftig mehr Geld aus der Pflegeversicherung. Statt der verrichtungsbezogenen Leistungskomplexe können Pflegebedürftige künftig zudem auch Zeitkontingente mit den Pflegediensten vereinbaren und frei entscheiden, welche Leistungen in dieser Zeit erbracht werden sollen.
Darüber hinaus werden die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zur Vermittlung eines Kooperationsvertrages zwischen einem Pflegeheim und einem Heimarzt verpflichtet, wenn das Pflegeheim dafür einen Antrag gestellt hat. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband sollen bis zum 30. September 2013 „Anforderungen an eine ärztliche und pflegerische Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen“ festlegen. Auf dieser Grundlage können die KVen mit den Landesverbänden der Krankenkassen bis zum 31. Dezember 2015 Zuschläge vereinbaren, um die Kooperationsverträge zu fördern.
Kurz bevor der Bundestag die Pflegereform verabschiedete hatte, war auch noch der Pflege-Bahr in das Gesetz aufgenommen worden – eine private Zusatzversicherung für die Pflege, mit der sich die Versicherten eine ergänzende individuelle Kapitaldeckung aufbauen können. Im Falle einer Pflegebedürftigkeit wird das Geld entsprechend der jeweiligen Pflegestufe wieder ausgezahlt.
Finanziert wird die Pflegereform durch eine Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung ab 2013 um 0,1 Prozentpunkte. Die Regierung rechnet bis 2015 mit Mehreinnahmen von rund 3,54 Milliarden Euro. Nach der Regelung sollen Versicherte ohne Pflegestufe mit 2erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz“ (sogenannte Pflegestufe 0) erstmals Pflegegeld von monatlich 120 Euro oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro erhalten.
Die nordrhein-westfälisch Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) kritisierte die Reform. Dem Gesetz fehle ein konzeptioneller roter Faden. Es werde den demografischen Herausforderungen nicht gerechtet und berücksichtige das Selbstbestimmungsrecht Pflegebedürftiger zu wenig.
Auch von der AOK Baden-Württemberg kam Kritik. Es könne „lediglich von einem 'Reförmchen' die Rede sein, keinesfalls entspricht das Gesetz der ursprünglich angestrebten umfassenden Pflegereform“, sagte Vorstandschef Christopher Hermann in Stuttgart. Er verwies darauf, dass die Maßnahmen bei weitem nicht ausreichten, um den Herausforderungen in der Pflege, etwa durch den demografischen Wandel, gerecht zu werden.
Der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, bemängelte das Gesetz ebenfalls. So seien die Betroffenen in der stationären Versorgung ausgeschlossen. „Ein Zukunftskonzept ist das nicht“, so Brysch. Er hoffe, dass es nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu einer „zukunftssichernden Pflegereform“ komme. Dagegen würdigte der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste die Reform; sie bringe trotz aller Kritik Verbesserungen für einen Teil der Demenzkranken.
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