Politik

Cannabisfreigabe: Ministerium sieht Milliardeneinsparung in Justiz

  • Donnerstag, 6. Juli 2023
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Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) rechnet durch die geplante Legalisierung von Cannabis mit einer Kostenentlastung bei Strafverfolgungsbehörden, Gerichten und Gefängnissen von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Das geht aus einem überarbeiteten Gesetzentwurf hervor, den das Ministerium nach Angaben eines Sprechers an die mit dem Thema befassten Verbände verschickt hat.

Dem Entwurf zufolge, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt und über den die Zeitungen der Funke Medien­gruppe zuerst berichtet hatten, geht das BMG von jährlichen Einsparungen bei Strafverfolgungsbehörden in Höhe von 800 Millionen, bei Gerichten in Höhe von 220 Millionen Euro und bei Justizvollzugseinrichtungen in Höhe von 35 Millionen Euro aus.

Demgegenüber stehen aber auch Mehrausgaben. Um die Informations-, Aufklärungs- und Präventionsange­bote auf- beziehungsweise auszubauen, fallen im Jahr 2024 einmalig zusätzliche Ausgaben für den Bundes­haushalt in Höhe von sechs Millionen Euro an, heißt es in dem Entwurf. In den Folgejahren sollen es zusätzliche jährliche Ausgaben in Höhe von je zwei Millionen Euro sein. Die Evaluation wird mit einer Million Euro jährlich (von 2024 bis 2027) veranschlagt.

Bund, Ländern und Kommunen entstehen demnach aber auch zusätzliche Lohnsteuereinnahmen von insge-samt 200.000 Euro im ersten Jahr, 300.000 Euro im zweiten Jahr, 400.000 Euro im dritten Jahr, 500.000 Euro im vierten Jahr und 600.000 Euro in den Folgejahren nach Inkrafttreten des Gesetzes.

Das Ministerium rechnet auch mit zusätzlichen Arbeitsplätzen. „Aufgrund geschaffener sozialversicherungs­pflichtiger Beschäftigungen in Anbauvereinigungen entstehen zusätzliche Einnahmen der Sozialversicherung von insgesamt 380.000 Euro im ersten Jahr, 570.000 Euro im zweiten Jahr, 760.000 Euro im dritten Jahr, 950.000 Euro im vierten Jahr und 1,1 Millionen Euro in den Folgejahren nach Inkrafttreten des Gesetzes“, so die Prognose.

Bereits bekannt war, dass grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für über 18-Jährige und der Anbau von maximal drei Pflanzen zum Eigenbedarf erlaubt werden sollen. Einen freien Verkauf der Droge in spezialisierten Geschäften soll es nicht geben. Auch das war bereits bekannt. Cannabis soll stattdessen in genannten Cannabis-Clubs gemeinschaftlich angebaut und abgegeben werden dürfen.

Die Vereine und Vereinsmitglieder müssen sich dabei auf strenge Regeln einstellen. Innerhalb der Vereine und im Umkreis von 200 Metern – ursprünglich waren 250 Meter geplant – soll kein Cannabis konsumiert werden dürfen.

Räume und Grundstücke der Cannabisclubs, in oder auf denen die Droge gelagert und angebaut wird, müssen umzäunt und gesichert werden, etwa mit einbruchsicheren Türen und Fenstern. Gewächshäuser brauchen einen Sichtschutz. Cannabisvereine müssen Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und sicherstellen, dass Grenzwerte für Pflanzenschutz- oder Düngemittelrückstände eingehalten werden.

Cannabis darf nur an Mitglieder ausgegeben werden, maximal 50 Gramm im Monat und nur in einer „neutra­len Verpackung“, damit es für Jugendliche keine „Konsumanreize“ gibt, wenn sie diese zu sehen bekommen. Ein Beipackzettel mit Angaben zu Gewicht, Erntedatum, Mindesthaltbarkeitsdatum, Sorte sowie Wirkstoffge­halt soll Pflicht sein.

Zudem darf in der Öffentlichkeit in einem Abstand von bis zu 200 Metern zu Schulen, Kitas, Spiel- oder Sport­plätzen nicht gekifft werden. In Fußgängerzonen bleibt es wie schon im ursprünglichen Entwurf, der Anfang Mai bekannt geworden war, beim angestrebten Konsumverbot zwischen 7 und 20 Uhr.

Der Gesetzentwurf könnte Mitte August im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden. Dann wäre der Bundestag am Zug. Der Bundesrat muss den Plänen zufolge nicht zustimmen.

Bundesländer wie Bayern, die gegen eine Legalisierung sind, können das Vorhaben daher voraussichtlich nicht über die Länderkammer stoppen. Die Pro-Cannabis-Vertreter in der Ampelkoalition hoffen, dass die Legalisie­rung noch dieses Jahr umgesetzt wird.

Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) hat die erwarteten Kostenentlastungen durch die geplante Cannabis-Legalisierung scharf kritisiert. Gentges sagte am Donnerstag in Stuttgart, wer sich bei dem Thema vom Einsparpotenzial leiten lasse, ebne den Weg für eine Justiz nach Kassenlage und nicht nach rechtlich Gebotenem.

„Das Argument der Justizentlastung ließe sich bei jedem Straftatbestand anführen: Ladendiebstahl, Beleidi­gung oder Umweltdelikte - all das bindet Ressourcen der Strafverfolgung.“ Das seien Delikte, die man nicht unverfolgt lasse, weil man die dahinterstehenden Rechtsgüter schützen wolle. „Alleine darauf kommt es bei der Frage an, ob wir als Staat ein Verhalten unter Strafe stellen.“

dpa/bee/may

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