Politik

Cannabis­legalisierung: Kein Komplettverbot im Straßenverkehr geplant

  • Mittwoch, 16. August 2023
Das Bundeskabinett – Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) – brachte heute den Entwurf für ein Cannabisgesetz auf den Weg. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Markus Schreiber
Das Bundeskabinett – Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) – brachte heute den Entwurf für ein Cannabisgesetz auf den Weg. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Markus Schreiber

Berlin – Bei der geplanten Freigabe von Cannabis als Genussmittel ist kein generelles Verbot im Straßen­ver­kehr geplant. Stattdessen sollen – wie heute schon bei Alkohol – Grenzwerte definiert und von der Polizei kontrolliert werden. Das erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute in Berlin.

Zuvor hatte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) der Bild-Zeitung gesagt, sein Haus prüfe derzeit, wie die Grundlage für einen solchen Grenzwert im Rahmen der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des Paragrafen 24a Straßenverkehrsgesetz auf wissenschaftlicher Basis ermittelt und geschaffen werden könne. Dabei sei ent­scheidend, dass sich die Regelungen zur Zulässigkeit von Fahrten unter Cannabiseinfluss „konsequent an den Erfordernissen der Straßenverkehrssicherheit orientieren“.

Besagter Paragraf legt eine Grenze von 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille im Blut für die Fahrtüchtigkeit fest. Alle über Alkohol hinausgehenden berauschenden Mittel sind bereits ab der Nachweis­schwelle im Blut ordnungswidrig.

Hier soll eine neue Regelung für den psychoaktiven Stoff THC geschaffen werden. Er stimme Wissing zu, hatte Lauterbach bei der Vorstellung des heute Vormittag vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurfs für ein Can­nabisgesetz (CanG) in Berlin erklärt.

Die Grenzwerte, die nun unter Leitung Wissings von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus Medizinern, Juristen und Verkehrsexperten erarbeitet werden, würden dann auch umgesetzt. „Es muss aber einen belast­baren Grenzwert geben, ähnlich wie beim Alkohol und somit sind wir da auf dem Weg, auf dem wir immer unterwegs sind, dass wir uns erst einmal an der Studienlage orientieren und dann eine entsprechende Em­pfehlung abgeben.“, sagte Lauterbach.

Bereits bevor der Gesetzentwurf vom Bundestag beschlossen wird – er soll im September in die erste Lesung gehen – will Lauterbach mit einer Aufklärungs- und Präventionskampagne beginnen, die sich speziell an Jugendliche und junge Erwachsene richtet.

Die Kampagne werde über den gesamten Herbst laufen und insbesondere in sozialen Medien ausgespielt, da sich junge Menschen dort am besten erreichen ließen, erklärte Lauterbach. „Die Kampagne wird sehr schnell starten“, kündigte er an. Die Mittel dafür würden aus dem laufenden Haushalt bereitgestellt.

Die anstehende Kampagne werde aber nur der Auftakt sein. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) werde auch eine eigene Landingpage einrichten, auf der Interessierte alle Fragen zu Cannabis beantwortet finden und wo auch Eltern gefährdeter Jugendlicher die nötigen Informationen erhalten. Daneben werde es weitere Maßnahmen wie eine Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „in bewährter Qualität“ geben, kündigte er an.

Läuft der Gesetzgebungsprozess ohne Probleme, soll der Freizeitkonsum spätestens zum Jahreswechsel legal sein. Das Gesetz muss auch durch den Bundesrat, wo es jedoch nicht zustimmungspflichtig sei und demnach nicht mehr gestoppt werden könne.

Es handele sich um eine „Wende in der Drogenpolitik“, die helfen werde, den Gesundheitsschutz von Konsu­menten zu verbessern, den Schwarzmarkt einzudämmen und die Drogenkriminalität zu bekämpfen.

Die Bundesärztekammer (BÄK) bezweifelt das. Keines der genannten Ziele könne mit dem vorliegenden Ge­setzentwurf erreicht werden, erklärte Josef Mischo, Co-Vorsitzender des Ausschusses Sucht und Drogen der BÄK. Die Studienlage zeige, dass das auch anderen Ländern mit einer Freigabe der Pflanze nicht gelungen sei.

Lauterbach widersprach dieser Kritik unter Verweis auf den Konsultationsprozess im Vorfeld der Erarbeitung des Gesetzentwurfs, bei dem sich das BMG mit Experten und Entscheidungsträgern aus diesen Ländern aus­getauscht hat, darunter vor allem Kanada, das einen ähnlichen Legalisierungskurs verfolgt hat wie Deutsch­land. Er sei überzeugt, dass es sich bei den jetzigen Plänen um „die beste Legalisierung, die bisher durchge­führt wurde“ handele, sagte Lauterbach.

Im Kern soll Cannabis dabei von der Betäubungsmittelliste gestrichen werden, Erwachsenen soll der Besitz von bis zu 25 Gramm erlaubt werden. Privat dürfen demnach unter bestimmten Auflagen wie Sicherung vor dem Zugriff von Kindern oder Maßnahmen gegen Geruchsbelästigung bis zu drei weibliche Pflanzen ange­baut werden dürfen.

Außerdem sollen Konsumenten künftig Mitglied in sogenannten Cannabisclubs werden können, in denen sie gegen einen Mitgliedsbeitrag gemeinsam anbauen und dann gegen ein Entgelt bis zu 50 Gramm im Monat erwerben dürfen. Die Cannabisclubs müssen strenge Sicherheitsvorschriften erfüllen und dürfen nicht ge­winnorientiert wirtschaften.

Lauterbach zufolge könne dieses Modell auch Gelegenheitskonsumenten helfen, Zugang zu qualitätsgesi­cher­tem Cannabis zu erhalten. So könne dem Schwarzmarkt der Boden entzogen und verhindert werden, dass Menschen auf der Straße Ware kaufen, die mit giftigen Stoffen gestreckt ist, zeigte er sich überzeugt.

Zu Jugend- und Gesundheitsschutz sind dabei zahlreiche Detailregelungen vorgesehen: Neben einem strikten Werbeverbot darf in den Clubs und deren Umkreis genauso wenig geraucht werden wie innerhalb eines Ra­dius von 200 Metern um Kitas, Schulen, Sportstätten oder Spielplätze. Zwischen 7 und 20 Uhr soll es auch in Fußgängerzonen ein Konsumverbot geben.

Für junge Erwachsene sollen Sonderregeln gelten: So ist die Abgabemenge in den Cannabisclubs für Mitglie­der zwischen 18 und 21 auf 30 Gramm pro Monat begrenzt, der THC-Gehalt des abgegebenen Cannabis darf dabei zehn Prozent nicht übersteigen. Das sei notwendig, da Cannabiskonsum besonders für die Gehirne Heranwachsender gesundheitliche Folgen haben könne.

Für Erwachsene seien solche THC-Grenzwerte nicht notwendig, betonte er. „Der regelmäßige Cannabiskonsum führt, wenn es keine problematischen Mengen sind, nicht zur Todesfolge oder schwersten Erkrankungen“, be­tonte er. Das Hauptproblem für Erwachsene sei die Beimischung gefährlicher Substanzen wie Streckmittel oder süchtig machender synthetischer Cannabinoide zur Wirkungsverstärkung. Dem werde durch das jetzige Modell begegnet.

Anders als bei den hunderten Todesfällen durch Drogen wie Heroin oder den zehntausenden Toten durch Alkoholkonsum sei diese enorme Gesundheitsgefahr bei reinem Cannabis nicht gegeben. „Cannabis ist gefährlich für junge Leute, ist gefährlich bei unkontrolliertem Konsum, ist aber im Vergleich zu anderen Drogen eine ganz andere Liga“, unterstrich Lauterbach.

lau

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