Kommission schlägt Grenzwert für Cannabis am Steuer vor

Berlin – Begleitend zur Legalisierung von Cannabis hat eine Expertenkommission eine Empfehlung für einen Grenzwert im Straßenverkehr vorgelegt. Vorgeschlagen wird – bezogen auf den Wirkstoff THC – eine Konzentration von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blutserum, wie das Bundesverkehrsministerium (BMDV) heute mitteilte.
Bei Erreichen dieses Wertes sei „nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs nicht fernliegend“. Bisher gibt es für Cannabis am Steuer keinen gesetzlichen Grenzwert wie die 0,5-Promille-Marke bei Alkohol. Etabliert hat sich in der Rechtsprechung aber ein Wert von 1 Nanogramm, ab dann drohen bisher Sanktionen.
Für eine Einführung des empfohlenen Grenzwertes ist eine Gesetzesänderung durch den Bundestag erforderlich, wie es weiter hieß. Dies gilt also noch nicht schon zum Start der teilweisen Cannabislegalisierung am Ostermontag (1. April).
Die Kommission empfiehlt auch, in der Probezeit nach dem Führerscheinerwerb und für unter 21-Jährige bei Cannabiskonsum ein absolutes Alkoholverbot am Steuer vorzusehen. Dies soll besonderen Gefahren durch Mischkonsum gerecht werden.
Vorgeschlagen wird auch, bei Kontrollen Speicheltests einzusetzen. So bekäme die Polizei ein Messinstrument an die Hand, mit dem sie akuten Konsum und damit ein mögliches Sicherheitsrisiko identifizieren könne. Dies diene auch der Verhältnismäßigkeit und senke Kosten und Aufwand. „Wenn ein Fahrer Anzeichen von Ausfallerscheinungen zeigt, ist in jedem Fall, also auch bei negativem Speicheltest, eine Blutprobe erforderlich.“
Der Arbeitsgruppe, die vom Verkehrsministerium eingesetzt wurde, gehörten Experten aus Medizin, Recht, Verkehr und Polizei an. Der vorgeschlagene Grenzwert von 3,5 Nanogramm sei nach Ansicht der Experten ein „konservativer Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille“.
Hintergrund ist, dass THC bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar ist. Mit einem Grenzwert von 3,5 Nanogramm solle daher erreicht werden, dass – anders als bei der Schwelle von 1 Nanogramm – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen eine „verkehrssicherheitsrelevante Wirkung“ möglich sei.
Die Empfehlung stieß umgehend auf Kritik. In der Arbeitsgruppe selbst gab ein Vertreter der Innenministerkonferenz für die Polizeien von Bund und Ländern zu Protokoll, dass er einen höheren Grenzwert als 1 Nanogramm ablehnt. Der CDU-Verkehrspolitiker Florian Müller monierte, die empfohlene Verdreifachung des Grenzwertes sei der Beleg, „dass der Bundesregierung die Cannabis-Legalisierung wichtiger ist als die Verkehrssicherheit“.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte, dass zumindest in diesem Punkt in Sachen Cannabis mehr Rechtssicherheit einziehen solle. Nötig wäre aber ein zweiter, niedrigerer Wert, der insbesondere für Fahranfänger oder für Fahrer von Personentransporten gelten sollte.
Die Polizei brauche für wirksame Kontrollen auch moderne Nachweis- und Analyseinstrumente. „Daran mangelt es. Ebenso an der nötigen Fortbildung“, sagte GdP-Vize Alexander Poitz. Zudem müsste der Kontrolldruck erhöht werden. Aufgrund der Personallücken bei der Verkehrsüberwachung sei das jedoch eine Herausforderung.
Wie schnell aus den Empfehlungen ein Gesetz wird, muss sich nun zeigen. FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sagte, die unabhängige Kommission habe einen fundierten Vorschlag frei von politischer Einflussnahme gemacht. „Diesen sollten wir so umsetzen, um weiterhin Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.“
„Der Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum schützt die allgemeine Verkehrssicherheit, aber auch die Freiheit der Konsumenten“, sagte dazu heute die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Kristine Lütke.
Für Cannabiskonsumenten gelte zudem ein absolutes Alkoholverbot am Steuer. „Der Bundestag sollte auf der Grundlage dieses ausgewogenen Vorschlags nun zügig das Gesetzgebungsverfahren für den neuen Grenzwert einleiten“, so Lütke.
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