Politik

Corona-Warn-App: Mehr als sieben Millionen Downloads, Stress bei Gesundheitsämtern

  • Mittwoch, 17. Juni 2020
/picture alliance, Stefan Jaitner
/picture alliance, Stefan Jaitner

Berlin – Die Corona-Warn-App des Bundes stößt bei den Menschen in Deutschland auf eine überraschend hohe Resonanz. Seit ihrem Start gestern morgen wurde sie mehr als sieben Millionen Mal heruntergeladen und installiert, teilte Digitalstaatsministerin Doro­thee Bär (CSU) heute Nachmittag auf Twitter mit. In den ersten 24 Stunden hatten nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums mehr als 6,4 Millionen Nutzer die App in Betrieb genommen.

„Das sind weit über sechs Millionen Gründe, warum das Coronavirus künftig weniger Chancen hat“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Jeder einzelne, der die App nutze, mache einen Unterschied. „Dieser starke Start sollte noch mehr Bürger moti­vieren, mitzumachen. Denn Corona eindämmen, das ist ein Teamspiel.“

Um viele Menschen in Deutschland, die noch über ein älteres Smartphone verfügen, nicht von der Verwendung der App auszuschließen, will die Bundesregierung bei Apple und Google erreichen, dass die Mindestvoraussetzungen heruntergeschraubt werden. Die App setzt auf Programmschnittstellen, die Apple nur in seinem aktuellen iPhone-Be­triebs­system iOS 13.5 bereitstellt. Das läuft aber nicht auf älteren Geräten wie dem iPhone 6, 5S oder 5.

Apple und Google sollen nachbessern

Auch etliche ältere Android-Smartphones verfügen nicht über die notwendigen Google Play Services, mit denen der US-Konzern die Programmschnittstellen bereitstellt. Exper­ten schätzen, dass zwischen zehn und 20 Prozent aller im Einsatz befindlichen Smart­pho­nes in Deutschland nicht die Mindestvoraussetzungen erfüllen. „Die Bundesregierung steht im Austausch mit Apple und Google, um über eine Lösung zu sprechen“, teilte das Robert-Koch-Institut mit. Auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) erklärte bei der Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag, das es Gespräche geben solle. „Wenn Betriebssysteme nicht kooperieren, dann können wir wenig tun."

Die Corona-Warn-App soll das Nachverfolgen von Coronainfektionen leichter und schneller machen. Dafür misst sie, ob sich Handynutzer über eine längere Zeit näher als etwa zwei Meter gekommen sind. Ist ein Nutzer positiv getestet worden und hat dies in der App geteilt, meldet sie nachträglich anderen Anwendern, dass sie sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben. Dann kann man sich freiwillig – auch ohne Sympto­me – auf Kassenkosten testen lassen. Kontaktdaten werden nicht zentral gespeichert, sondern nur jeweils auf den Smartphones.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz rechtfertigte heute die Bewertung der Corona-Warn-App durch seine Behörde mit dem Attribut „ausreichend“. Dabei habe es sich nicht um eine Schulnote gehandelt, betonte Ulrich Kelber (SPD). In der datenschutzrechtlichen Bewertung gebe es nur „ein ausreichend oder nicht ausreichend“.

Kelber bekräftigte seine Kritik am Verfahren, wie ein Infektionsstatus in der App offiziell bestätigt werde. Zum Start der App würden offenbar nur zehn Prozent der Testergebnisse datenschutzfreundlich digital übertragen. Der große Rest müsse über eine Telefonhotli­ne gehen. „Diese Hotline sehen wir als eine Schwächung des ansonsten gut durch­dachten Prinzips der Pseudonymitätswahrung an“, sagte Kelber.

Der SPD-Politiker bekräftigte seine Warnung an Arbeitgeber, ihren Beschäftigten die Ins­tallation der App vorzuschreiben. „Ein Zwang, die App vorzuzeigen, ist datenschutz­recht­lich nicht haltbar. Sollten Unternehmen dagegen verstoßen, würden die Daten­schutzbe­auftragten der Länder aktiv, die dafür zuständig seien. „Von daher wiederhole ich meinen Appell: ‚Versucht es lieber nicht‘.“

Zu den Kosten für die App erklärte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Victor Perli, dass sie bis Ende 2021 insgesamt mit Ausgaben in Höhe von über 69 Millionen Euro rechnet. Diese Zahl bezieht sich auf die Entwicklung der App selbst sowie auf die Wartung, Pflege, den Betrieb und die Bewer­bung der App. Allein die Telekom-Tochter T-Systems erhält demnach über 52 Millionen Euro.

Perli warf Bundesgesundheitsminister Spahn vor, er habe die Kosten öffentlich schönge­rechnet. „In Krisenzeiten muss schnell gehandelt werden. Das darf aber nicht zur Intrans­parenz des Regierungshandelns führen.“ Auffällig sei, dass von der Auftragsvergabe im Wesentlichen zwei Dax-Unternehmen besonders profitieren und die Kosten für die Wer­be­agentur sehr hoch seien.

Viele Anfragen bei den Gesundheitsämtern

Kritik gabe es heute auch von den Gesundheitsämtern, die mit einer Flut von Anfragen zu kämpfen hatten. Noch am Tag der Einführung hätten allein bei der Hotline des Berliner Gesundheitsamtes 434 Menschen angerufen, die Probleme mit der App hatten, sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Ute Tei­chert, heute zu n-tv und RTL.

„Es sprengt alle Dimensionen, die wir je hatten“, sagte Teichert zum Andrang auf die Gesundheitsämter. „Die Leute kommen mit der App nicht klar und sie kommen auch nicht klar mit der Telefonnummer, die da angegeben ist“, sagte Teichert. Die Hotlinenummer der App sei sehr kompliziert und das führe zu sehr vielen Nachfragen. „Die Menschen rufen dann eben bei der Coronahotline an und bei den Gesundheitsämtern“, so Teichert.

Außerdem kritisierte Teichert Barrieren der App, die es nicht allen Menschen ermögliche, sie in Gebrauch zu nehmen. Viele Menschen, vor allem Ältere, die digitale Systeme sonst nicht nutzten, würden Schwierigkeiten haben, mit der App umzugehen.

Trotz ihrer Kritik schätzt Teichert die App als einen guten und ergänzenden Weg ein, die Pandemie zu bekämpfen. Aber man müsse für mehr Personal sorgen, wenn die App zu Mehrbelastung der Gesundheitsämter führe. „Ansonsten habe ich das Problem, dass ich mit einer technischen Lösung neue Arbeit schaffe, die nicht bewältigt werden kann“, sagte Teichert, die sich die App selber heruntergeladen hat und dazu auch jedem raten würde.

dpa/afp/bee

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