Coronakrise: Keine gemeinsamen Absprachen mehr von Merkel und Länderchefs

Berlin − Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Bundesländer werden offenbar vorerst nicht mehr in großer Runde über die Coronakrise beraten. Solche Gespräche würden im Moment wenig bringen, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), heute in München.
Nach Angaben von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wird das weitere Vorgehen nun alleinige Sache der Bundesländer und ihrer Landkreise. Kretschmann sagte, die Länder sollten nun jeweils für sich entscheiden. „Die Verantwortung liegt jetzt bei den Ministerpräsidenten und Landkreisen.“
Das bereits einige Zeit andauernde Auseinanderdriften der Bundesländer hatte zuletzt mit der Ankündigung von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), die allgemeinen Beschränkungen aufzuheben, einen neuen Höhepunkt erreicht. Ramelow kündigte nach einer Sitzung seiner Landesregierung an, nun „aus dem Krisenmodus in den Regelmodus übergehen“ zu wollen. Trotz Kritik will er den Ausstieg aus den Verboten weiter betreiben.
Ursprünglich war für die Tage nach Pfingsten eine Runde erwartet worden, in der die Ministerpräsidenten mit Merkel über die aktuell noch bis zum 5. Juni geltenden Kontaktbeschränkungen beraten. Diese Runde gibt es nun nicht. Gestern konnten sich die Chefs der Staatskanzleien zudem nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen, weshalb offen ist, was ab dem 5. Juni gilt.
In einer Beschlussvorlage für die Schalte war unter anderem die Rede davon, dass die Kontaktbeschränkungen bis zum 29. Juni verlängert werden sollten, wonach der Aufenthalt im öffentlichen Raum mit bis zu zehn Personen oder von Angehörigen zweier Hausstände gestattet werden sollte.
Plädoyer für mehr Macht beim Bund
Söder sagte heute, die Beamten berieten weiter – „man bleibt im Dauergespräch“. Bayern wolle die Kontaktbeschränkungen fortsetzen. Söder kritisierte einen „Wettlauf“ der Bundesländer, der das Vertrauen der Bürger beschädigt habe. Obwohl er eigentlich überzeugter Föderalist sei, plädierte Söder nun für eine Reform des Infektionschutzgesetzes.
Damit solle der Bund mehr Möglichkeiten bekommen, gesetzliche Vorgaben zu machen. Es sei „mehr generelle Guidance vom Bund“ nötig, nicht nur eine moralische, sondern auch eine gesetzliche.
Söder verständigte sich nach eigenen Worten mit Kretschmann und Merkel darauf, derzeit keine große Runde mehr zu organisieren. „Im Moment ist mein Eindruck, dass das Gesamtfundament und die Akzeptanz für gemeinschaftliche Lösungen sehr zurückgeht“, sagte er über das fehlende Miteinander der Bundesländer. Dabei kritisierte er auch Indiskretionen unter den Bundesländern. Mittlerweile würden schon Informationen aus der Runde der Chefs der Staatskanzleien aus laufenden Sitzungen an Medien weitergegeben.
Der auch in der eigenen Koalition wegen seines Vorstoß in der Kritik stehende Thüringer Ministerpräsident Ramelow unterstrich seinerseits, angesichts von derzeit nur 238 Coronainfizierten in Thüringen sei der staatliche Eingriff in Grundrechte nicht mehr zu rechtfertigen. Statt die Allgemeinverfügungen immer wieder zu verlängern, komme es künftig auf die Umsetzung von Hygienekonzepten in den einzelnen Branchen an.
Der Schutz vor einer Ansteckung sei für jeden Bürger zudem eine höchstpersönliche Aufgabe – „da hilft mir keine Landesregierung und keine Polizei“, sagte Ramelow. Gleichzeitig nannte auch er das Virus „immer noch gefährlich“ und bekräftigte, das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes sei weiter sinnvoll.
In einer Reihe von Bundesländern gab es derweil neue Lockerungen. Sachsen-Anhalt etwa lässt private Feiern wie Hochzeiten, Trauerfeiern oder Geburtstage mit bis zu 20 Gästen zu. Rheinland-Pfalz öffnet ab morgen Fitnessstudios, Tanzschulen und Freibäder. In Bayern sollen diese Sportstätten ab dem 8. Juni öffnen, Kultureinrichtungen wie Theater und Kinos ab dem 15. Juni - im Theater muss aber ein Mundschutz getragen werden.
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