Daten und Künstliche Intelligenz: Neue Möglichkeiten, aber auch Risiken

Berlin – Künftig dürften immer mehr Daten erfasst werden, auf die in der Vergangenheit noch kein Fokus gelegt worden ist. Dazu gehören Informationen aus Patientenbefragungen, wie etwa Informationen zu Schmerzen oder der psychischen Gesundheit. Das wurde heute bei der DMEA deutlich.
Daten aus neuen Instrumenten wie Patient-Reported-Outcome-Measures (PROM) würden ganz neue Möglichkeiten erschließen, sagte Sylvia Thun, Direktorin der Einheit „eHealth und Interoperability“ am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) an der Charité, heute auf der Messe für digitale Gesundheit.
Diese Form der Datennutzung sei zu begrüßen, wenn sie positive Effekte auf das Gesundheitsverhalten hätten und damit die Gesundheit verbessern, sagte auch Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Es sei unproblematisch, diese Datenmessung als Anreiz für die Bevölkerung zu nutzen, damit diese sich etwa mehr bewege oder gesünder verhalte. Es werde aber schwierig, wenn dadurch die Selbstbestimmung gefährdet sei, betonte Buyx.
Daten werden zudem immer wichtiger für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI), so Buyx. Deutschland benötige dafür eigene gute Trainingsdaten und könne sich nicht auf Daten aus China, USA oder Israel verlassen, sagte sie. Buyx begrüßte in dieser Hinsicht die erst kürzlich in Kraft getretene Digitalgesetzgebung, die in ihren Augen ein erster Schritt, aber noch „nicht perfekt“ seien.
Es gebe bereits viele Datenmengen in Deutschland, etwa auf der Forschungsdatenplattform Gesundheit, ergänzte Thun. Auf diese Daten sowie Freitextdaten müsse insbesondere zurückgegriffen werden, um inhaltsvolle Rückschlüsse für eine bessere Versorgung ziehen zu können. Zudem brauche es für hochwertige KI gute Standards, betonte Thun.
Buyx warnte allerdings vor hochprädiktiven Risikomodellen, die mithilfe von KI genau voraussagen könnten, aus welchen Gründen man erkrankt sei. Derzeit wisse man oft nicht genau, woher eine Erkrankung komme. Wenn das aufgekündigt werde, sei dies eine Grundsatzentscheidung in einem solidarischen System, so Buyx. Sie würde sogar so weit gehen und fordern, diese Form der prädiktiven Instrumente zu verbieten.
Die Feststellung müsse verhindert werden, das etwa ein Schlaganfall durch einen falschen Lebensstil selbst verschuldet worden sei. „Denn wir leben in einer Welt, die uns auf bestimmte Art und Weise prägt“, sagte Buyx. Als Beispiel nannte sie das Essverhalten. Dieses werde in den ersten drei Lebensjahren geprägt. Entsprechend wäre es ungerecht, einen Menschen für ein falsches Essverhalten im Laufe seines Lebens in diesem Sinne zur Verantwortung zu ziehen.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen müsse mehr für die Bevölkerung gedacht werden, forderte auch Thun. In den vergangenen 20 Jahren seien Digitalisierungsprozesse hauptsächlich aus Sicht der Krankenkassen verfolgt worden. „Wir haben die E-AU, wir haben das E-Rezept und das Versichertenstammdatenmanagement“, sagte Thun.
Diese Dinge hätten wenig mit den Menschen zu tun und dienten vor allem den Kassen. Deshalb müsste man sich jetzt auf „unsere kranken und gesunden Bürger konzentrieren“. Sie kritisierte zudem, dass elektronische Patientenakten (ePA) von 96 Krankenkassen entwickelt werde. Das koste viel Geld und hätte besser auf einer Plattform umgesetzt werden sollen, so Thun.
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