Ärztliche Perspektive bei Digitalisierung stärker einbeziehen

Berlin – Ärzte benötigen einfache und intuitiv verständliche digitale Lösungen. Darin waren sich Teilnehmer einer Diskussionsrunde gestern beim Digitalforum Gesundheit einig.
„Ärztinnen und Ärzte sind keine EDV-ler“, sagte die erste Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Susanne Johna. Deshalb müssten digitale Anwendungen einfach sein, um sie ohne stundenlange Schulungen auch verwenden zu können.
„Wenn eine Lösung nach einer bestimmten Zeit nicht funktioniert, wird wieder Papier ausgefüllt“, betonte Johna. Sie kritisierte zudem, dass derzeit vor allem kleine Insellösungen eingeführt werden, die nicht miteinander kommunizieren würden.
Auch Julian Kley, Mitgründer und CCO der Hausarztkette Avi Medical, betonte, dass Ärzte keine Digitalisierungsprofis sein müssten. Wichtig sei aber vonseiten der Softwareentwickler das Nutzungsverhalten der Mediziner und entsprechendes Feedback direkt in digitale Lösungen einfließen zu lassen.
„Diese Perspektive haben wir noch zu wenig“, monierte Kley. Avi Medical setze etwa darauf, dass die 60 angestellten Ärztinnen und Ärzte dank digitaler Tools weniger dokumentarische Aufgaben erledigen und sich stattdessen stärker auf die Patientenversorgung konzentrieren könnten.
Der Leiter der Koordinierungsstelle Telemedizin Baden-Württemberg am Bosch Innovation Hub, Oliver Opitz, ergänzte, dass vor allem im Bereich der Telematikinfrastruktur (TI) die Perspektive der Nutzenden zu wenig einbezogen worden sei, also insbesondere auch von Ärztinnen und Ärzten.
Es sei zudem ein Irrglaube, dass man den Ärzten Technik im niedergelassenen Bereich vorsetzen könne und diese dann wie von allein funktionieren würde, sagte Opitz. Die Technik müsse funktional sein und die Einführung eng begleitet werden. Hier fehle es noch an Augenmerk.
Man müsse zudem ehrlich sein, was auch alles noch nicht funktioniert, betonte Jürgen Möller, Geschäftsführer des Abrechnungsdienstes PVS-Berlin-Brandenburg-Hamburg. Digitale Anwendungen dürften nicht immer wieder ausfallen, sonst schwinde die Akzeptanz. Deshalb sei es wichtig, an der Technik zu arbeiten, sagte Möller.
Digitale Lösungen seien aber aufgrund des drohenden Ärztemangels notwendig, betonte Kley. Er verwies auf die Zi-Studie, die gezeigt habe, dass bis 2040 rund 50.000 Ärztinnen und Ärzte in der Niederlassung fehlen werden. Damit die verbleibenden Mediziner vor allem Aufgaben der Patientenversorgung übernehmen könnten, bräuchte es eine Technologisierung von Abläufen, so Kley.
Diese Analyse sei vollkommen richtig, entgegnete Johna. Allerdings müsste Digitalisierung auch entbürokratisieren und Zeit sparen, anstatt mehr Arbeitszeit zu benötigen. Außerdem bräuchte es regelmäßige Übungen hinsichtlich Ausfallszenarien, forderte Johna.
Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis müssten künftig besser wissen, was sie etwa bei Hackerangriffen oder Datenprobleme tun müssten. Angriffe aus dem In- und Ausland hätten in den vergangenen Monaten und Jahren weiter zugenommen.
Das Geld für entsprechende Übungen im Bereich der Datensicherheit sei aber sowohl im stationären als auch im niedergelassenen Bereich nicht vorhanden, bemängelte sie. „Für jeden Euro, den man in Digitalisierung steckt, muss man mindestens 50 Cent, wenn nicht sogar auch einen Euro in Sicherheit stecken, das tun wir aber nicht“, so Johna.
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