Bei Zukunftsdiskussionen aktuelle Realitäten nicht verkennen

Berlin – Viele der derzeit geführten Diskussionen, etwa um das „sicher spannende“ Potenzial von Künstlicher Intelligenz (KI), hätten mit dem aktuellen Versorgungsalltag nichts zu tun – da sei man beispielsweise schon froh, wenn defekte Hardware in den Kliniken zeitnah ausgetauscht werde.
Dies sei Realität, insofern lägen die „Welten weit auseinander“, betonte Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes sowie Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK), gestern im Rahmen der Digital-Health-Messe DMEA.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zuvor, ebenfalls auf der DMEA, prognostiziert, Digitalisierung und KI würden die Medizin „komplett verändern“. Man denke dies in allen Gesetzgebungsverfahren mit und verfolge einen „KI-in-all-policies“-Ansatz.
Derzeit sorge allerdings die geplante Krankenhausreform, etwa aufgrund der Finanzierungslücken bei den Kliniken, für viel Verunsicherung. Dadurch seien auch die Investitionen im Digitalbereich weitgehend „auf hold“ gestellt, warnte Johna.
Dieser Einschätzung stimmte Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), zu. Die herrschende Unsicherheit im Krankenhausbereich begrenze den Mut zu Investitionen in digitale Prozesse.
Positiv bewertete sie in diesem Zusammenhang das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG): Dieses habe bezüglich der Digitalisierung der Krankenhäuser für einen gewissen Schub gesorgt. Grundidee müsse sein, digitale Prozesse für Vernetzung zu nutzen und zementierte Strukturen zu überwinden, so Neumeyer.
In dieser Hinsicht sprach Johna der elektronischen Patientenakte (ePA) ein „Riesenpotenzial“ zu. Diese könne helfen, eine Brücke zwischen den Praxisverwaltungssystemen (PVS) im ambulanten Bereich und den Krankenhausinformationssystemen (KIS) im stationären Bereich zu schlagen.
Zentral sei aus ärztlicher Sicht aber die Frage nach der Anwenderfreundlichkeit der ePA – es bleibe etwa abzuwarten, wann und wie eine vollumfängliche Suchfunktion und strukturierte Daten eingebettet würden.
Bezugnehmend auf diese Wünsche und die politisch gewollte möglichst schnelle Etablierung der ePA im Versorgungsalltag sprach Thomas Renner, für Digitalisierung zuständiger Unterabteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG), von einem „Zielkonflikt“. Es laufe aber bereits ein intensiver Diskussionsprozess hierzu – auch mit den entsprechenden IT-Unternehmen. Man gehe schrittweise vor und wolle das „Schaffbare schultern“.
Sebastian Zilch, Unterabteilungsleiter für Gematik, E-Health und Telematikinfrastruktur im BMG, betonte, die ePA werde nach und nach weiter ausgebaut. Seiner Einschätzung nach stellen sowohl der elektronische Medikationsplan (eMP) als auch die Patientenkurzakte erste nützliche Use-Cases für Ärztinnen und Ärzte dar. Die Gesamtstruktur der ePA sei so gewählt worden, dass künftig eine Vielzahl von Versorgungsprozessen abgebildet werden kann.
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