Debatte über Mundschutzpflicht

Berlin – In anderen Staaten gehören Menschen mit Mundschutz schon länger zum Bild der Coronakrise. Nun wird auch in Deutschland darüber diskutiert, die Rede ist sogar von einer Maskenpflicht. Die Meinungen über Sinn und Nutzen gehen aber auseinander. Klar ist für alle: Vorrang muss medizinisches Personal haben.
Die Stadt Jena in Thüringen plant eine Maskenpflicht in Verkaufsstellen, im öffentlichen Nahverkehr und in Gebäuden mit Publikumsverkehr. So solle die Sicherheit des Personals im öffentlichen Leben erhöht werden. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, sich selbst Masken zu nähen. Zulässig seien aber auch Tücher oder Schals, wenn sie Nase und Mund bedecken.
Im thüringischen Apolda dürfen Bürger das Landratsamt seit heute ebenfalls nur noch mit Mundschutz betreten. „Das Landratsamt muss arbeitsfähig bleiben“, begründete die Landrätin des Kreises Weimarer Land, Christiane Schmidt-Rose (CDU), die Entscheidung. Neben handelsüblichen Mundschutzmasken seien auch ein selbstgefertigter Mundschutz, ein dicker Schal oder ein Hals- beziehungsweise Dreiecktuch zulässig.
Auch die Stadt Hanau rief ihre Bürger zum Tragen eines einfachen Mund-Nase-Schutzes in der Öffentlichkeit auf. Das „Schutzmaskengebot“ solle das Bewusstsein dafür schärfen, dass jeder sich und andere schützen solle, erklärte Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). Die Stadt will bis spätestens Ende dieser Woche eine Nähanleitung bereitstellen.
Schutzmasken müssen medizinischen Berufen vorbehalten sein
Der Marburger Bund forderte heute eindringlich, dass spezielle Atemschutzmasken dem Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen vorbehalten bleiben müsse. Es wäre fatal, wenn nun auch vermehrt Privatpersonen Schutzmasken aufkaufen würden, die für den Gebrauch in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen gedacht seien, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Susanne Johna, der Rheinischen Post. Die Schutzmasken seien dort bereits „Mangelware“.
Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg, betonte, wichtiger als die Masken sei es für die Bevölkerung, konsequent die Hygieneregeln zu beachten, Abstand von Mitmenschen zu halten und die Kontaktregeln einzuhalten. Außerdem sei es essenziell, dass ausreichend Schutzkleidung für medizinisches Personal zur Verfügung steht.
Von einer Verpflichtung zum Tragen eines Mundschutzes hält Emami so lange nichts, wie es nicht genügend Schutzausrüstung für das medizinische Personal gibt. „Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeheime, bzw. -dienste und andere sensible Bereiche müssen absolut Vorrang haben. Eine zusätzliche Marktkonkurrenz wäre fatal, wir befinden uns da aufgrund des weltweiten Bedarfs ohnehin in einer sehr schwierigen Situation.“
Appell an die Industrieunternehmen Schutzausrüstung zu produzieren
Es wäre vollkommen kontraproduktiv, wenn es eine zusätzliche Verknappung gäbe, weil jeder Bürger einen Mundschutz tragen müsse oder wenn Ressourcen mit der Produktion dieser Masken gebunden würden, die auch die dringend benötigten FFP2- oder 3-Masken herstellen könnten, sagte der Ärztekammerpräsident. Emami appelliert zudem an Industrieunternehmen, in die Produktion der jetzt knappen medizinischen Produkte, wie Schutzkleidung und Masken, einzusteigen, wo immer das möglich ist.
Ähnlich sieht es die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. „Das Tragen von Atemschutzmasken in gut besuchten Räumen, etwa beim Einkauf im Supermarkt oder in der vollen Straßenbahn, kann als Akt der Solidarität vorübergehend sinnvoll sein“, erklärte sie. Ein flächendeckender Einsatz mache aber nur Sinn, wenn es ausreichend Masken für alle gebe. „Priorität muss zunächst die Lieferung von Schutzmasken an Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen sein.“
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) haben sich im Moment gegen eine allgemeine Masken- oder Mundschutzpflicht ausgesprochen. Scholz sagte nach Beratungen mit dem bayerischen Kabinett in München, man habe weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus beschlossen.
Nun müsse man erst einmal dafür Sorge tragen, dass diese Maßnahmen eingehalten werden und wirken. Die Masken, die man jetzt brauche, seien für all diejenigen, die etwa im medizinischen und anderen kritischen Bereichen arbeiteten. „Das ist das, was jetzt im Vordergrund unserer Betrachtung steht.“ Man müsse dafür sorgen, dass es hierfür genügend Masken in großer Zahl gebe.
Söder sagte zu einer möglichen Mundschutzpflicht für Supermärkte wie jetzt in Österreich erneut: „Man kann nichts ausschließen.“ Es könne sich noch alles entwickeln. Es sei aber nun wichtig, Geduld zu bewahren und alles zu tun, um soziale Kontakte zu reduzieren.
Bei guten Masken herrsche im Moment ein echter Engpass, sagte Söder, er sprach sogar von einem „Notstand“. Diese Masken brauche man jetzt erst einmal für Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeheime. Eine allgemeine Pflicht könnte nun wieder zu Hamsterkäufen führen, warnte Söder.
Jeder, der nun ganz einfache Schutzmöglichkeiten ergreifen wolle, solle dies aber tun, das sei auch gut. Er plädierte dafür, dass dies unter anderem dort von Arbeitgebern in Betracht gezogen werden sollte, wo Mitarbeiter auf engem Raum zusammenarbeiten müssen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält eine Mundschutz-Pflicht derzeit ebenfalls für nicht erforderlich. „In der jetzigen Lage sehe ich keinerlei Notwendigkeit zu einer Verpflichtung“, sagte er in Düsseldorf. In der Bevölkerung sehe er eine große Bereitschaft, Masken zu tragen und dadurch andere vor einer Ansteckung zu schützen. Dies sei ein „gutes Signal“ und ein Zeichen für „Solidarität“.
Spahn hob hervor, dass die Bürger zwischen zwei Arten von Masken unterscheiden müssten. Zum einen gebe es medizinische Masken, die wirksam vor einer Ansteckung schützen; diese sollten dem medizinischen Personal vorbehalten sein.
Dann gebe es noch andere Masken – etwa selbst genähte Stoffmasken –, die nicht vor einer eigenen Ansteckung bewahren, die aber andere Menschen vor einer Ansteckung durch den Träger schützen könnten. Das Tragen einer solche Maske könne „einen Unterschied machen, um andere vor einer Infektion zu schützen", sagte der Minister.
Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) hält selbstgebastelten Mund- und Nasenschutz zum Schutz anderer Menschen grundsätzlich für hilfreich. „Es hängt vom Material ab“, schränkte RKI-Präsident Lothar Wieler heute ein. Doch auch ein selbstgebauter Schutz halte Tröpfchen zurück, wenn man huste und niese.
„Hingegen gibt es keine hinreichende Evidenz dafür, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trägt, signifikant verringert“, schreibt das RKI auf seiner Webseite. Deutlich zu unterscheiden sei einfacher Mund-Nasen-Schutz von den virenabhaltenden Profimasken im medizinischem Bereich. Sie können auch die Träger selbst vor Infektionen schützen.
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hält nichts von einer Maskenpflicht. „Die Verpflichtung zum Tragen eines Mundschutzes ist reine Symbolpolitik“, sagte er dem Handelsblatt.
„Sie vermittelt eine trügerische Sicherheit, hilft aber so gut wie gar nicht.“ Höherwertige Masken wiederum, die tatsächlichen Infektionsschutz bieten, würden aufgrund ihrer Knappheit derzeit dringend für medizinisches Personal gebraucht. Gassen verwies außerdem darauf, dass neben der Tröpfchen- auch die Schmierinfektion über Oberflächen möglich sei. „Was hilft, ist Abstand und Hygiene.“
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