Vermischtes

Demenz: Zunehmender Druck durch Personalmangel

  • Montag, 19. September 2022
/Anke Thomass, stock.adobe.com
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Berlin – Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen geraten nach Einschätzung von Experten zunehmend unter Druck. Unterstützung durch Pflege- und Betreuungs­dienste, Tages- und Kurzzeitpflegeangebote oder Pflegeheime sei wegen Personal­mangels immer schwieriger zu finden, sagte die Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Monika Kaus, heute in Berlin.

Sie fehlten auch aufgrund von Überlastung, Krankheit und Quarantäneanordnungen. Gleichzeitig stellten die Qualitätsprüfungen der Heimaufsichten und des Medizi­nischen Dienstes einen viel zu hohen bürokratischen und personellen Aufwand dar.

„Viele betroffene Familien sind jetzt zusätzlich durch die Energiekrise und die überall steigenden Preise in großer Bedrängnis“, fügte Kaus hinzu. Nicht nur Eigenanteile fürs Pflegeheim steigen um bis zu 1.000 Euro pro Monat.

Auch Pflegedienste legten steigende Kosten auf ihre Kunden um. Pflegebedürftige und Demenz­erkrankte hätten wenig Spielraum, um Energie zu sparen.

Bei den Entlastungspaketen der Bundesregierung würden diese Menschen aber weitgehend verges­sen. Kaus äußerte sich zum Auftakt der bundes­wei­ten Woche der Demenz.

„Auch die seit Jahren versprochene Pfle­gereform ist immer noch nicht in Angriff genommen. Selbst die im Gesetz festgelegte Dynamisierung des Pfle­gegeldes wird immer wieder aufgeschoben“, kriti­sierte sie.

Zentral sei die Einführung eines Entlastungs­bud­gets, mit dem die Betroffenen alle zur Verfügung stehenden Leistun­gen der Pflegeversicherung einfacher nutzen könnten.

Der Präsident der Deutschen Alterspsychiater, Michael Rapp, sieht eine Überforderung von Pflegeeinrichtun­gen durch steigende Zahlen von Demenzkranken. Dabei gebe es gute Möglichkeiten, Demenzerkrankungen frühzeitig zu erkennen und Betroffene lange durch Angebote wie Psychotherapie oder Ergotherapie sowie die Zusammen­arbeit mit Hausärzten in ihrer eigenen Häuslichkeit zu halten. Das werde aber derzeit durch Vorgaben der Krankenkassen verhindert.

Umfragen, wie eine Befragung aus Niedersachsen, deuten immer wieder auf die Probleme durch Personal­man­gel hin. Nach Ansicht einer Mehrheit der Menschen in Niedersachsen liegt die größte gesundheitspoliti­sche Herausforderung darin, den Personalmangel in der Pflege zu beheben.

Befragt vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der DAK-Gesundheit gaben 94 Prozent der an, in der personellen Ausstattung der Gesundheitsbranche ein dringendes oder sehr dringendes Problem zu sehen.

In Bezug auf die Einrichtungen sahen die Befragten dabei den höchsten Handlungs­bedarf bei Pflegekräften in Kliniken (39 Prozent) sowie in Heimen (35 Prozent). Bei Ärzten in Praxen (15 Prozent) und Kliniken (4 Prozent) sowie Arzthelfern (1 Prozent) wurde die Dringlichkeit geringer eingestuft.

„Wir brauchen aufsuchende, rehabilitativ angelegte multiprofessionelle ambulante Behandlungsmöglich­kei­ten für psychisch kranke Ältere und Menschen mit Demenz“, forderte Rapp. „Dadurch werden sowohl Angehö­ri­ge als auch die stationäre Altenhilfe und nachfolgend die Kommunen entlastet.“

Klinische Forschung beschleunigen

Isabella Heuser, die Vorsitzende der Hirnliga, der Vereinigung der deutschen Alzheimerforscher, erklärte, der hohe und oft lange Pflegeaufwand von zurzeit 1,8 Millionen Demenzkranken in Deutschland sei eine große Herausforderung für die sozialen Sicherungssysteme.

„In Kenntnis der Prognosen von mindestens drei Millionen Demenzkranken im Jahr 2050 muss die Entwick­lung wirksamer und sicherer Medikamente zur Vorbeugung und Behandlung intensiviert werden“, forderte sie.

So sei habe der von der US Food and Drug Administration (FDA) im vergangenen Jahr zugelassene Antikörper Aduzanumab in seiner Wirksamkeit im Vergleich zu seinen Nebenwirkungen nicht überzeugend. Daher hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassung ebenfalls abgelehnt. Ein weiterer Antikörper – Cre­nezumab – konnte in einer Langzeitstudie ebenfalls keine Veränderung der kognitiven Fähigkeiten bei einer familiären Alzheimerdemenz erzielen.

Um schneller klinische Studien durchführen zu können, brauche es eine Entbürokra­tisierung. So müsse man insgesamt sieben verschiedene Instanzen durchlaufen, damit eine Studie genehmigt werde. um eine Studie genehmigt zu bekommen. „Zum Beispiel die Auflagen bezüglich des Datenschutzes muss unbedingt moderni­siert werden.“ Zudem seien die Auflagen in jedem Land unterschiedlich. Heuser fordert daher eine zentrale Regulation von Ethik, Finanzierung und Datenschutz.

kna/mim

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