Pflegeverbände und Heimträger fordern große Pflegereform

Stuttgart – Angesichts stark steigender Kosten für die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen hat die Initiative Pro-Pflegereform die Bundesregierung aufgefordert, die im Koalitionsvertrag angekündigte Pflegereform umzusetzen.
„Wir fordern eine langfristig wirksame Reform“, sagte heute Bernhard Schneider, Geschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, die die Initiative vertritt. Eine solche Reform müsse jetzt dringender als je zuvor angegangen werden. Denn die Kosten seien für die Bewohner nicht mehr tragbar.
Schneider erklärte, dass sich die Eigenteile in den Häusern der Evangelischen Heimstiftung derzeit im Durchschnitt auf 3.250 Euro pro Monat beliefen – in der Spitze auf 3.700 Euro. Die Beiträge lägen höher als im bundesdeutschen Durchschnitt, weil die Heimstiftung nach Tarif bezahle und einen hohen Personalschlüssel habe. Da beides politisch gewollt sei, würden sich die Beiträge auch bundesweit in den kommenden Jahren in diese Richtung entwickeln, so Schneider.
Wie Heinz Rothgang von der Universität Bremen erläuterte, seien die Beiträge im bundesdeutschen Durchschnitt von 1.716 Euro im ersten Quartal 2017 auf 2.350 Euro im dritten Quartal 2022 angestiegen. Die Gesamtkosten gliedern sich in einen pflegebedingten Eigenanteil inklusive Ausbildungskosten, einen Teil für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten.
Im dritten Quartal 2022 lag der pflegebedingte Eigenanteil im Bundesdurchschnitt bei 1.067 Euro, die Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei 814 Euro und die Investitionskosten bei 469 Euro.
„Und in diesen Beiträgen sind die Kostensteigerungen durch die Umsetzung des Tariftreuegrundsatzes und die bessere personelle Ausstattung infolge der Pflegepersonalbedarfsbemessung noch gar nicht enthalten“, so Rothgang.
Um die Bezahlung für Altenpflegekräfte zu verbessern, hatte die vergangene Bundesregierung Mitte 2021 im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) den Grundsatz der Tariftreue eingeführt. Demnach dürfen Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen nur noch mit den Pflegekassen abrechnen, wenn sie ein bestimmtes Tarifniveau bezahlen.
Ab Juli 2023 greifen zudem die Regelungen des neuen Personalbemessungsverfahrens, mit dem schrittweise mehr Personal in der Langzeitpflege aufgebaut werden soll.
Begrenzung der Eigenanteile
Um den Anstieg der Beitragskosten für zu begrenzen, hat die letzte Regierung im GVWG zudem Zuschläge für die Heimbewohnerinnen und -bewohner eingeführt, die anwachsen, je länger diese im Heim leben. Rothgang zufolge würden diese Zuschläge den Anstieg der Ausgaben für zwei Jahre begrenzen.
Danach würden diese aber weiter zunehmen. „Im nächsten Juli werden wir insofern so hohe Beiträge haben, wie es sie noch nie gab“, sagte Rothgang. „Mit der Reform haben wir uns zwei Jahre Zeit erkauft. Diese Zeit müssen wir nun aber für eine große Reform nutzen.“
Die Initiative Pro-Pflegereform fordert unter anderem einen sogenannten Sockel-Spitze-Tausch. Dabei sollen die Heimbewohner künftig nur noch einen gedeckelten Eigenanteil bezahlen. Die übrigen Kosten sollen die Pflegekassen übernehmen, die insofern auch das Risiko von Kostensteigerungen abdecken. Heute tragen die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Risiko.
Reform der Finanzierung
Zudem fordert die Initiative eine sektorenübergreifende Betreuung von Pflegebedürftigen. Dabei müssten alle Pflegeleistungen modularisiert und mit einheitlichen Preisen versehen werden. Die Leistungen sollen dann in einem Leistungskatalog zusammengefasst werden.
Darüber hinaus müsse die Finanzierung der Pflegeversicherung reformiert werden, so die Initiative. Denn derzeit laufe die Pflegeversicherung – auch infolge der höheren Ausgaben durch das GVWG – in ein Defizit hinein, das 2025 voraussichtlich 1,8 Milliarden Euro betragen werde.
Die Initiative fordert angemessene Beitragssatzsteigerungen und die Einführung einer Bürgerversicherung in der Pflege. Pflegegeld und Pflegesachleistungen müssten dabei regelmäßig der allgemeinen Preisentwicklung angepasst werden.
„Lauterbach kann sich nicht nur um die Pandemie kümmern“
Die Umsetzung einer großen Pflegereform sei dringend notwendig, betonte Schneider. „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kann sich nicht nur um die Coronapandemie kümmern. Er muss sich auch der Probleme in der Pflege annehmen.“.
In der Initiative Pro-Pflegereform sind zahlreiche Verbände und Träger von Pflegeeinrichtungen zusammengeschlossen: neben der Evangelischen Heimstiftung zum Beispiel der Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland, der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), die Johanniter-Unfallhilfe und der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD).
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