Depressionen: Merkel fordert Entstigmatisierung

Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht großen Handlungsbedarf für die Aufklärung über Depressionen – und für Gespräche mit Arbeitgebern darüber. Viele Menschen trauten sich nicht, über Depressionen zu sprechen und kehrten eine Erkrankung unter den Teppich, sagte Merkel heute bei einer mit internationalen Experten besetzten Konferenz im Kanzleramt unter dem Titel „Was Menschen wichtig ist – Globale Gesundheit und Innovation“.
Merkel sagte, vom Kanzleramt bis zu Behörden und Unternehmen solle über Entstigmatisierung gesprochen werden. „Es ist in der Tat ein Thema, das uns alle zu Entwicklungsländern macht.“ Es leuchte jedem ein, wie eng physische und mentale Krankheiten zusammenhingen. „Gesundheit hat sehr viel mit der eigenen Würde zu tun“, sagte Merkel. Das Burnout-Problem, ein Erschöpfungssyndrom, nehme rapide zu. Die Veranstaltung im Kanzleramt, das sogenannte Internationale Deutschlandforum, ist eine Plattform für interdisziplinären und interkulturellen Dialog zu weltweit relevanten Zukunftsfragen.
Mehr über psychische Erkrankungen aufklären
Teilnehmer baten Merkel heute, „Reklame für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu machen“. Depressionen seien kein esoterisches Randthema. Ein „Führungsstil am Arbeitsplatz“ könne zu psychischen Erkrankungen führen. Für Effizienz und Kosten bei Unternehmen und Behörden sei es wichtig, Risiken für psychische Belastungen zu senken. Hilfe könne etwa im Arbeitsschutzgesetz verankert werden. Die Prävention müsse dringend schon bei Kindern und Jugendlichen ansetzen. Über Gefahren von Drogen und Alkohol würden sie früh aufgeklärt – nicht aber über seelische Erkrankungen.
Merkel versicherte, dass sich sowohl die großen Industrienationen (G7) – sie tagen das nächste Mal im Mai in Italien – als auch die Industrie- und Schwellenländer (G20) – sie kommen im Juli unter deutscher Präsidentschaft in Hamburg zusammen – um die Gesundheitsfragen kümmern werden. Unter anderem geht es um das gemeinsame Vorgehen bei länderübergreifender Ausbreitung von Infektionskrankheiten und um eine Einschränkung des Antibiotika-Einsatzes in der Landwirtschaft, um Resistenzen gegen Antibiotika bei Tieren und Menschen zu reduzieren.
Merkel sagte, wenn Hühner mehr Platz hätten, würde ihnen weniger Antibiotika gegeben werden müssen. Wenn dann von Kostensteigerungen für die Erweiterung von Ställen gesprochen werde, wolle sie gern berechnen lassen, wie viel Geld ausgegeben werden müsse, um eine Antibiotika-Resistenz wieder zu überwinden – was außerdem Jahre dauere. „Das muss man dann ganz hart in ein Verhältnis setzen.“
Globale Gesundheit von „allergrößter Bedeutung“
Bereits in ihrem aktuellen aktuellen Video-Podcast hatte Merkel erklärt, die „globale Gesundheit“ sei „von allergrößter Bedeutung“. Die internationale Staatengemeinschaft habe sich mit der Agenda 2030 „das sehr anspruchsvolle Ziel gestellt, dass jeder Bürger der Welt – egal welchen Alters – ein Anrecht auf Gesundheitsversorgung hat“.
Während seiner G7-Präsidentschaft habe Deutschland eine Forschungsinitiative zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Tropenkrankheiten auf den Weg gebracht. „Daran werden wir auch entschieden weiterarbeiten“, sagte die Kanzlerin. Zum Beispiel wolle sie im Rahmen des deutschen G20-Vorsitzes „schauen, ob wir noch mehr Mitstreiter auf diesem Weg bekommen können“. Dazu werde es vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs eine Zusammenkunft der Gesundheitsminister geben, kündigte Merkel an.
Das internationale Deutschlandforum bietet Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine Möglichkeit für den internationalen Austausch zu Zukunftsfragen. Ziel des Forums ist es, ein Netzwerk für globales Lernen aufzubauen und gemeinsame Lösungen für Zukunftsfragen zu entwickeln.
Die rund 120 Teilnehmer diskutieren auf dem dritten Forum neben dem Umgang mit Antibiotika und mentaler Gesundheit auch, wie vernachlässigte Tropenkrankheiten besser bekämpft werden können.
Das Deutsche Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten begrüßte das Programm des Forums. Es lenke mehr Aufmerksamkeit auf die Frage, wie die internationalen Ziele zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten zu erreichen seien. „Die UN-Nachhaltigkeitsziele erheben den Anspruch, niemanden zurückzulassen und besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen verstärkt zu fördern. Die Bundesregierung kann und sollte mehr tun, um dem gerecht zu werden“, sagte Jürgen May, Sprecher des Deutschen Netzwerks gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten und Leiter der Arbeitsgruppe Infektionsepidemiologie beim Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.
Mehrere Gäste präsentierten auf dem Forum ihre innovativen Ansätze, um die medizinische Versorgung und die Vorsorge vor Krankheiten und Epidemien zu verbessern. Bright Simons aus Ghana hat beispielsweise das Netzwerk „mPedigree“ gegründet, das gegen gefälschte Medikamente kämpft. Das Unternehmen ist bereits in zwölf afrikanischen Ländern aktiv und kennzeichnet Medikamentenverpackungen als „sicher“.
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