Der persönliche Datenabdruck im Gesundheitssystem

Hannover – Welchen Datenabdruck hinterlasse ich als Patient im Gesundheitssystem? Mit diesem Thema hat sich Florentine Fritzen, Journalistin bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), befasst und beim afgis-Workshop „Alle wollen nur das Eine! – Vom zweifelhaften Umgang mit Patientendaten“ am 28. November in Hannover über ihre Recherchen berichtet. Ihr Artikel hierüber erschien am 2. März in der FAS („Ava und ich“). Für den „Eigenversuch“ machte Fritzen Gebrauch von ihrem Recht auf Einsicht in die eigenen Patientenunterlagen – konkret beim Gynäkologen, bei der Krankenkasse und in einem Krankenhaus.
Die Dokumentation beim Gynäkologen reichte bis in die frühen 1990er Jahre zurück und umfasste dabei auch die Dokumentation des Praxisvorgängers. Es sei überraschend gewesen zu erfahren, wie umfangreich dokumentiert worden sei und wie viele Informationen erfasst worden seien, die nicht gynäkologisch relevant waren, wie etwa Daten zum beruflichen Werdegang oder zu Auslandsaufenthalten, berichtete Fritzen.
Akribische Dokumentation im Krankenhaus
Auch von der Krankenkasse und zwei Krankenhausaufenthalten erhielt Fritzen umfangreiche Aktenkopien zur eigenen Krankengeschichte. Beindruckt zeigte sich die Journalistin von der akribischen Dokumentation im Krankenhaus. Ihr Gesamtfazit: „Der gute Eindruck vom deutschen Gesundheitssystem hat sich eher bestärkt.“. Als Patient reflektiere man darüber in der Regel wenig, wie viel dokumentiert werde, meinte Fritzen. Im Hinblick auf Verschlüsselung und den Umgang mit Daten machten die Leute ihrer Einschätzung nach ihre Arbeit vernünftig. Klar sei jedoch: „Auch als mündiger Patient muss man dem Arzt vertrauen können“, so Fritzen.
Der unter dem Pseudonym padeluun auftretende Netzaktivist vom Digitalcourage e.V. erneuerte seine Kritik am Konzept der elektronischen Gesundheitskarte (eGK): Diese beziehe sich nicht auf die technische Infrastruktur oder darauf, dass das Projekt datenschutzmäßig nicht gut umgesetzt sei, sondern dass es auf eine „Vorratsdatenspeicherung im Gesundheitswesen“ hinauslaufe.
„Das Prinzip von Dezentralisierung wird missachtet. Das weckt Begehrlichkeiten“, erklärte padeluun. Verschlüsselung funktioniere zwar bei der Datenübertragung, aber nicht bei der Datenspeicherung, da Verschlüsselung veralte. Das eGK-Projekt sei der Versuch, einen mathematischen Schlüssel zu einem Geschäftsmodell zu machen, kritisierte er.
Gesundheitsdaten sind kein Handelsgut
Scharf wandte er sich auch gegen den Trend zur Selbstvermessung, verbunden mit einer Datenlieferung an private Versicherungen, die hierfür vergünstigte Tarife anbieten, wie das bei der europäischen Versicherungsgruppe Generali zum ersten Mal umgesetzt wird. „Man muss das verbieten“, forderte er. Das sei keine auf Freiwilligkeit beruhende Entscheidung, die jeder für sich treffen könne, denn die anderen Versicherten seien davon ebenfalls betroffen, weil sie mehr bezahlen müssten. „Gesundheitsdaten dürfen nicht zum Handelsgut erhoben werden. Das ist gefährlich“, warnte er.
Thomas Königsmann vom Fraunhofer-Institut für Software und Systemtechnik ging auf die „verwirrende Vielzahl“ von existierenden Patientenaktenmodellen ein. Dazu zählen beispielsweise Konzepte wie die elektronische Patientenakte nach §291a Sozialgesetzbuch V, die elektronische Fallakte und diverse Industrielösungen. Patientenakten werden laut Königsmann bereits in regionalen Projekten und auch in Ärztenetzen etabliert, die bestimmte Industrielösungen einführen. Auch der Trend zur Selbstvermessung fördere Plattformen wie Apple Health oder Google Fit, ohne dass regulierende Stellen darauf Einfluss nehmen könnten.
Patientenakten würden gebraucht, denn die intersektorale Kommunikation im Gesundheitswesen müsse effizienter und sicherer werden, auch im Hinblick beispielsweise auf Telemedizin und den selbstbestimmten, sich selbst vermessenden Patienten, betonte der IT-Experte. „Es gibt eine Vielzahl von exzellenten Lösungen und Standards, aber keine klare Linie“, kritisierte er. Dadurch bestehe die Gefahr, dass sich Lösungen etablierten, die nicht offen und nicht reglementiert sind. „Im Unterschied dazu ist die eGK-Spezifikation freigegeben und öffentlich zugänglich“, betonte Königsmann.
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