Politik

Deutschland unternimmt weiter wenig gegen Einflussnahme der Tabakindustrie

  • Dienstag, 25. November 2025
/Sylvie Thenard, stock.adobe.com
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Heidelberg – Deutschland setzt Versuchen der Einflussnahme der Tabakindustrie laut einem Bericht weiterhin zu wenig entgegen. Das machen Fachleute des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) im heute veröffentlichten „Tabaklobby-Index 2025“ deutlich.

„Durch ihre starke Lobbymacht gelingt es der Tabakindustrie immer wieder, wirksame Regulierungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu verzögern oder abzuschwächen“, heißt es in dem Report, der sich auf den Zeitraum März 2023 bis März 2025 bezieht. „Die Politik muss endlich klare Grenzen setzen“, forderte Autorin Laura Graen von der Stabsstelle Krebsprävention des DKFZ.

Im Bericht wird die deutsche Reaktion auf Einflussnahmeversuche der Industrie anhand eines Fragebogens mit einer Punktzahl bewertet, die einem eher schlechten Zeugnis entspricht: Deutschland landet im globalen „Tabaklobby-Index“ mit 70 Punkten auf Platz 68 von 100 Ländern.

Andere europäische Nachbarn wie die Niederlande (34 Punkte; Platz vier) und Frankreich (42 Punkte, Platz zwölf) schneiden hingegen deutlich besser ab. Autorin Graen nennt auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes Beispiele dafür, was dort anders läuft: So veröffentliche die niederländische Regierung seit 2016 alle Interaktionen mit der Tabakindustrie, von Emails und Briefen bis hin zu Treffen.

Es gebe dort zudem ein für alle Behörden geltendes Protokoll zum Umgang mit der Tabakindustrie für Staatsbedienstete: Darin würden diese aufgefordert, Interaktionen mit der Tabakindustrie auf das Nötigste zu begrenzen und vollständig transparent zu machen.

In Frankreich seien zum Beispiel Spenden und Sponsoring von Unternehmen für politische Parteien verboten. „Dadurch verliert auch die Tabakindustrie ihre mit Sponsoring verknüpften privilegierten Zugänge zu politisch Entscheidungstragenden“, erläuterte Graen.

Millionen fließen jährlich in Lobbyarbeit

Deutsche Tabakkonzerne ließen sich die Lobbyarbeit einiges kosten: Mehr als 6,5 Millionen Euro jährlich seien dafür aufgewendet worden, heißt es im Bericht. An Parteispenden und -sponsoring seien mehr als 280.000 Euro bekannt geworden – allerdings blieben die meisten Zahlungen im Verborgenen, heißt es vom DKFZ.

Mehrere Personalien werden im Bericht als sehr problematisch beschrieben, darunter der Wechsel des ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Torsten Albig (SPD), in die Tabakindustrie im Jahr 2023. Kritisiert wird auch die Mitgliedschaft einer Vertreterin der Tabakindustrie in einer Kommission, die dem Gesetzgeber beispielsweise Abgabesätze für Einwegkunststoffe wie etwa Zigarettenfilter empfehlen soll.

Schlechte Noten erhält Deutschland zudem dafür, dass Regierungsbehörden oder deren Bedienstete Aktivitäten der Tabakindustrie unterstützen, die als sozial verantwortlich beschrieben werden. Hinzu kommen sogenannte „nicht notwendige Interaktionen“, also Treffen zwischen Vertretenden der Tabakindustrie und politischen Entscheidungstragende: Diese fänden „in erheblichem Umfang und auf allen politischen Ebenen statt“, heißt es im Bericht.

Tatsächliches Ausmaß womöglich noch größer

Der Bericht stützt sich auf öffentlich zugängliche Quellen und auf Anfrage erhaltene Informationen. Teils bleiben blinde Flecken: Etwa weil die Auskunft verweigert wurde und sich nicht mit Sicherheit feststellen lasse, ob Bundestagsabgeordnete eine (beratende) Funktion in der Tabakindustrie innehaben.

„All das ist alarmierend, denn die wirtschaftlichen Interessen der Tabakindustrie stehen im klaren Gegensatz zu den Zielen der Gesundheitspolitik und ihre Einflussnahme widerspricht zudem internationalen Vereinbarungen“, erklärte Ute Mons vom DKFZ.

Deutschland hat viele Maßnahmen, die international als wirksam gelten, verspätet oder noch gar nicht umgesetzt, wie im DKFZ-Bericht festgehalten wird. So blieben Steuern auf Zigaretten und andere Tabak- und Nikotinprodukte vergleichsweise niedrig, es gebe nur unzureichende Werbe- und Sponsoringbeschränkungen für Tabakprodukte und Rauchverbote seien lückenhaft und uneinheitlich geregelt.  

Maßnahmen, die zu einer stärkere Abgrenzung von der Tabaklobby beitragen könnten, liegen im Rahmen der im Jahr 2021 vorgestellten Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040 vor und ähneln denen, die etwa in Frankreich und den Niederlanden umgesetzt werden.

ggr

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