Cannabislegalisierung: Clubs und Modellregionen geplant

Berlin – Der Besitz und Konsum von Cannabis soll zunächst im privaten Bereich legalisiert werden. Dabei soll der Besitz von Cannabis für den Eigenkonsum bis 25 Gramm straffrei werden. Privat sollen zudem maximal drei weibliche blühende Cannabispflanzen angebaut werden dürfen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) haben heute entsprechende Eckpunkte der Bundesregierung vorgestellt. Die Eckpunkte sehen eine Cannabislegalisierung in zwei Schritten mit der Abkürzung „CARe“ (Club Anbau & Regionalmodell) vor.
In einem ersten Schritt sollen der private Eigenanbau sowie der Anbau in nicht gewinnorientierten Vereinen / Vereinigungen bundesweit ermöglicht werden. In Modellregionen soll in einem zweiten Schritt zudem der kommerzielle Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften erfolgen.
Lauterbach erklärte die bisherige Cannabispolitik als gescheitert. Die cannabisbezogenen Delikte seien seit 2011 jedes Jahr gestiegen. Zuletzt habe es 2021 361.000 entsprechende Fälle gegeben.
„Wir schaffen kein Problem, sondern versuchen ein Problem zu lösen“, sagte Lauterbach. Özdemir betonte: „Eine jahrzehntelange Verbotspolitik hat davor die Augen verschlossen und damit vor allem Probleme verursacht: zulasten unserer Jugendlichen, der Gesundheit von Konsumierenden und der Strafverfolgungsbehörden.“
Ziel der Legalisierung sei, mehr Sicherheit zu bieten, Konsumenten vor Verunreinigungen zu schützen, den Jugendschutz zu stärken sowie die Drogenkriminalität und den Schwarzmarkt zurückzudrängen, sagte Lauterbach. Özdemir ergänzte, es gehe auch darum die Justiz und Polizei zu entlasten.
Bereits im vergangenen Oktober hatte Lauterbach ein erstes Konzept zur Cannabislegalisierung vorgestellt. In diesem war vorgesehen, dass alle Erwachsenen Cannabis bundesweit in Fachgeschäften kaufen dürfen. Der Erwerb und Besitz von maximal 20 bis 30 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum sollte straffrei werden, unabhängig vom THC-Gehalt. Jedoch musste Lauterbach zunächst die europarechtlichen Regeln ausloten und prüfen, ob das Legalisierungsvorhaben mit den EU-Vorschriften überhaupt vereinbar ist. Offenbar hat die EU nun aber ein entsprechendes Veto eingelegt.
„Diese Eckpunkte haben wir mit der Europäischen Kommission Ende November sehr intensiv besprochen. Das waren gute und vertrauensvolle Gespräche“, erläuterte Lauterbach. „Wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass der damalige Eckpunkteentwurf uns nicht weiterbringen wird, unsere Ziele zu verfolgen. Wir haben deshalb neue Eckpunkte entwickelt.“
Cannabisvereinigungen dürfen nur eigene Mitglieder versorgen
Bei der ersten Säule dieser neuen Eckpunkte – von Lauterbach auch „die schnelle Säule“ genannt – gehe es darum, eine Möglichkeit zu schaffen, sich legal mit Cannabis zu versorgen. Der Gesetzentwurf dazu soll Ende April kommen, kündigte Lauterbach an.
Unter klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen sollen sogenannte „Cannabisclubs“ gemeinschaftlich Cannabis anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben dürfen. Die Mitglieder dürfen über den Verein begrenzt Cannabis beziehen, maximal 25 Gramm pro Tag mit einer maximalen Abgabemenge pro Person von 50 Gramm pro Monat.
Die Vereine dürfen nicht nur Cannabis, sondern auch von der Vereinigung erzeugte Samen und Stecklinge für den Eigenanbau abgeben. Dabei gilt ein Maximum von sieben Samen oder fünf Stecklingen pro Monat. Für Heranwachsende unter 21 Jahren ist die Abgabe auf eine Menge von 30 Gramm pro Monat begrenzt. Eine Begrenzung des THC-Gehalts des abgegebenen Cannabis lediglich an Heranwachsende ist vorgesehen, die Grenze sei aber noch zu klären.
Die Anzahl der Mitglieder pro Vereinigung wird auf maximal 500 Personen begrenzt, weiter gilt ein Mindestalter von 18 Jahren sowie Wohnsitz in Deutschland. „Die Anzahl der Vereinigungen kann nach Bevölkerungsdichte begrenzt werden“, heißt es in dem Eckpunktepapier.
Niederlande gilt nicht als Vorbild
Der Cannabiskonsum soll in den Vereinigungen selbst nicht stattfinden dürfen. „Ich spreche ganz gezielt von Cannabisclubs und nicht von Social Clubs“, betonte Lauterbach. Social Clubs gebe es in den Niederlanden, wo gemeinsam Cannabis unklarer Herkunft konsumiert wird. „Wir wollen aber das Gegenteil. Wir wollen qualitätsgesicherte, sichere Ware.“
Lauterbach sieht zudem die Bundesländer in der Pflicht, Vorkehrungen und Vorgaben festzulegen, wie diese Vereinigungen gesichert oder eingezäunt werden müssten. Landesbehörden sollen zudem die Einhaltung der Mengen-, Qualitäts- und Jugendschutzvorgaben zulassen und überwachen sowie stichprobenartig überprüfen.
Es sei sehr viel einfacher, eine begrenzte Anzahl an registrierten Cannabisclubs zu überprüfen als 50.000 Dealer, die man gar nicht überprüfen könne, so Lauterbach. Er habe Zutrauen, dass die Länder hier gute Lösungen finden könnten.
Diese Säule soll zunächst auf vier Jahre angesetzt werden. Danach erfolge eine Evaluation mit dem Ziel der Prüfung und Anpassung hinsichtlich des Gesundheits- und Jugendschutzes sowie Zurückdrängung des Schwarzmarktes.
Kommerzieller Verkauf an alle Erwachsenen in Modellregionen
Die zweite Säule soll hingegen nach der Sommerpause auf den Weg gebracht werden, sagte Landwirtschaftsminister Özdemir. Mit dieser ist die Einführung von Modellregionen vorgesehen, in denen Cannabis kommerziell produziert und in Fachgeschäften an Erwachsene verkauft werden darf. „Mit einem regionalen Modellprojekt loten wir die Möglichkeiten einer kommerziellen Lieferkette aus“, so Özdemir.
Dieses Vorhaben ist für einen Zeitraum von fünf Jahren ab eingerichteter Lieferkette vorgesehen. Mit dieser Säule soll der Anbau noch sicherer gestaltet werden können, so Lauterbach. In den Modellregionen wird es zudem eine Cannabissteuer geben. Allerdings steht noch nicht fest, welche Regionen Modellprojekte durchführen werden.
Die Modellregionen sollen wissenschaftlich begleitet und ergebnisoffen evaluiert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission zur Verfügung gestellt werden.
Damit sollen die Erkenntnisse auch dafür genutzt werden, bei anderen europäischen Ländern für das Vorhaben der Cannabislegalisierung zu werben, heißt es im Eckpunktepapier. Es gilt auch zu prüfen, inwieweit die Initiative einer ausreichenden Zahl von EU-Mitgliedstaaten möglich sein wird, um mittelfristig den EU-Rechtsrahmen zu ändern.
Zudem sollen Minderjährige, wenn sie künftig Cannabis besitzen oder konsumieren an Frühinterventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen. Entsprechende Programme werden aufgelegt, kündigte Lauterbach an.
„Wir wollen Kinder und Jugendliche besser schützen, in dem wir den Schwarzmarkt für Erwachsene zurückdrängen“, so Lauterbach weiter. Denn der Schwarzmarkt sei Motor für die Abhängigkeit von Jugendlichen.
Verurteilungen, die ausschließlich wegen Handlungen im Zusammenhang mit Cannabis eingetragen sind und für die das neue Gesetz keine Strafe mehr vorsieht, könnten zudem künftig auf Antrag aus dem entsprechenden Bundeszentralregister gelöscht werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes würden zudem laufende Ermittlungs- und Strafverfahren eingestellt.
Regierung will Vorhaben ohne Bundesrat regeln
Özdemir und Lauterbach betonten, dass die Gesetze zur Cannabislegalisierung nicht zustimmungspflichtig werden sollen, also nicht vom Bundesrat abgesegnet werden müssten. Offenbar ist die Sorge der Regierung vor den unionsgeführten Bundesländern groß, dass diese die Gesetzesvorhaben blockieren könnten.
Die Zusammenarbeit mit den Bundesländern wird vermutlich aber dennoch kritisch, denn diese sollen maßgeblich dazu beitragen, entsprechende Regelungen zu den Cannabisclubs zu erstellen und die Sicherstellung der Qualität und Einhaltung der Vorgaben zu gewährleisten.
Die vorgelegten Eckpunkte führten in der Politik und bei der Ärzteschaft zu unterschiedlichen Reaktionen. Die Regierungsfraktionen begrüßten das Vorhaben.
„Es ist Zeit für einen neuen Ansatz, der mehr Eigenverantwortung zulässt, den Schwarzmarkt zurückdrängt und Polizei und Staatsanwaltschaften entlastet. Wir trauen den Menschen mehr zu– ohne dabei die Gefahren, die vom Cannabiskonsum ausgehen können zu verharmlosen“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte hingegen den Vorschlag aufs Schärfste. Auch Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt kritisierte den vorgelegten Vorschlag und plädierte für einen deutlichen Ausbau von Präventionsangeboten für junge Menschen.
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