Politik

Geplante Cannabis­legalisierung sorgt für gemischte Reaktionen

  • Mittwoch, 12. April 2023
/fotomek, stock.adobe.com
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Berlin – Zu dem geplanten Vorhaben der Bundesregierung, den Konsum von Cannabis in zwei Schritten zu legalisieren, gab es heute viele kritische, aber auch positive Stimmen. Kritik kam unter anderem von der Bundesärztekammer (BÄK).

„In den letzten Wochen und Monaten ist deutlich geworden, dass EU- und völkerrechtliche Vorgaben eine Cannabislegalisierung in Deutschland nicht zulassen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt. Dabei gehe es um viel mehr als Gesetzesformalitäten.

Es gehe um den gemeinsamen Einsatz der internatio­nalen Gemeinschaft im Kampf gegen Suchterkrankungen und Drogenkriminalität. Reinhardt bezeichnete es als fatal, wenn Deutschland aus dieser Gemeinsamkeit aus­scheren oder sich mit einer „Legalisierung light“ heraus­stehlen würde.

Die geplanten Modellregionen kritisierte er als „eine Legalisierung durch die Hintertür“. Durch die Diskussion sinke etwa das Risikobewusstsein bezüglich des Cannabiskonsums. Nach einer Legalisierung würden Abhän­gig­keitserkrankungen und andere psychische Folgen zunehmen, so Reinhardt. Er finde es grotesk, den Canna­biskonsum durch Vereine mit Bezeichnungen wie „Cannabisclubs“ zu verharmlosen. „Drogenabhängigkeit macht einsam und zerstört Lebensperspektiven“, betonte Reinhardt.

Er wies auf den Personalmangel in der psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung hin und be­tonte: „Wie kann man in einer solchen Lage darauf verfallen, die junge Generation einem weiteren gravieren­den Risiko für die psychische Gesundheit auszusetzen? Welches Versorgungssystem soll die Folgen auffan­gen?“

Statt einer „Legalisierung Light“ sollte die Politik mehr auf Präventionsangebote und Interventionsprogramme für junge Menschen setzen, so Reinhardt. „Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Legalisierungspläne zur Seite zu legen und sich gemeinsam mit uns auf den Weg zu einer ersthaften Prävention zu machen“, betonte der Bundesärztekammerpräsident.

Widerstand kam insbesondere aus Bayern und von der Union. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte einen „Irrweg“. Die geplanten „Drogenclubs“ lösten keine Probleme, sondern schafften neue. Der CDU-Generalsekretär Mario Czaja sah einen unzureichenden Kinder- und Jugendschutz. „Wir lehnen deshalb die jetzt vorgelegten Vorschläge zur Freigabe der Cannabisdroge entschieden ab“, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschland (RND).

„Die Ampelkoalition versucht jetzt krampfhaft, mit juristischen Winkelzügen Schlupflöcher für ihr ideologi­sches Legalisierungsprojekt zu finden. Geradezu erschreckend ist dabei, wie die Gesundheitsrisiken verharm­lost werden. Aber allein wegen dieser Risiken sollte die Bundesregierung ihr Vorhaben endlich stoppen“, sagte auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).

Die Legalisierung von Cannabis bedeute ein völlig falsches Signal bezüglich des Kinder- und Jugendschutzes. Es könne zudem nicht davon ausgegangen werden, dass es keine Weitergabe von Cannabis durch Erwachsene an Jugendliche geben wird, so Holetschek.

Bayern will Legalisierung verhindern

Seiner Ansicht nach sei die Einrichtung von Modellregionen nach dem Völkerrecht verboten. Sie seien ein Versuch, diese Vorgaben des Völkerrechts zu umgehen. „Auch mit dem Europarecht sind diese Modellprojekte nicht vereinbar.“ Der bayerische Minister betonte: „Wir werden genau prüfen, wie wir die Cannabislegalisie­rung im Freistaat verhindern können.“

Die Sprecherin für Sucht- und Drogenpolitik der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, begrüßte hingegen das Vorha­ben der Am­pelkoalition. „Das vorliegende Eckpunktepapier ist ein großer Schritt in Richtung einer echten Legalisierung. Der Entwurf schafft endlich eine Grundlage für straffreien und eigenverantwortlichen Zugang zu Cannabis­produkten für Erwachsene.“

Die Erlaubnis von Cannabisclubs und der Eigenanbau für Erwachsene zum Eigenbedarf könne nur ein erster Schritt sein. Wichtig sei, dass der geplante freie Verkauf von Cannabis in den Modellregionen zeitnah umge­setzt werde.

Lütke betonte: „Langfristig muss die vollständige Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken für Erwach­se­ne, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, umgesetzt werden.“ Allerdings seien die Eckpunkte zu restriktiv. Die FDP-Politikerin rief Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf, neben der straffreien Deckung des Eigenbe­darfs auch einen Weg hin zu einer Abgabe in lizenzierten Geschäften aufzuzeigen.

Auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang hat die geplante schrittweise Cannabislegalisierung als „wichtigen Schritt hin zu einer zeitgemäßen Drogenpolitik“ begrüßt. Lang sagte, künftig werde der Konsum von Cannabis sinnvoll reguliert, Konsumierende würden nicht länger kriminalisiert.

„Damit rücken wir den Gesundheits- und Jugendschutz endlich in den Vordergrund. Wir ziehen einen Schluss­strich unter die gescheiterte Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte. Gleichzeitig trocknen wir den Schwarz­markt aus und entlasten so Polizei sowie Justiz spürbar.“ Dies sei ein „großer Erfolg der Ampel“.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Maria Klein-Schmeink, nannte das Vorhaben einen „großen Erfolg“, vor allem für die Grünen. „Wir setzen uns seit Langem für eine menschliche Drogenpolitik und mehr Gesundheitsschutz ein. Die jahrzehntelange ideologisch getriebene Kriminalisierung von erwachsenen Menschen wird bald ein Ende haben.“

Die Gesundheitspolitikerin Klein-Schmeink kündigte an: „Wir werden im parlamentarischen Verfahren bei der Ausgestaltung der Detailregelungen darauf achten, dass die Ziele dieser Reform erreicht werden. Eine um­fassende Legalisierung und Regulierung bleibt das Ziel. Diese zweite Säule wird hoffentlich nach Abschluss der Modellvorhaben und der Genehmigung durch die EU erreicht werden.“

Von dem ursprünglichen Koalitionsversprechen einer bundesweiten Abgabe über lizenzierte Fachgeschäfte bleibe mit den Modellregionen „nicht viel übrig“, kritisierte hingegen der Linken-Abgeordnete Ates Gürpinar. Und bei der Kontrolle überlasse Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) genauere Regelungen den Ländern.

Keine Austrocknung des Schwarzmarktes

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) glaubt unterdessen nicht, dass die Pläne bedeutenden Einfluss auf den illegalen Cannabishandel auf dem Schwarzmarkt haben werden. „Das gilt ebenso für den riskanten Cannabis­konsum von Minderjährigen“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz dem RND. Auch für die Polizei ergebe sich durch die Pläne keine nennenswerte Arbeitsentlastung.

Thomas Preis, Vorsitzender Apothekerverband Nordrhein, nannte es absurd, dass aktuell gegen massive Lieferprobleme bei Medikamenten für Kinder, Blutdruck-Patienten, Krebskranken und Diabetikern gekämpft werden müsse und jetzt viel politische Energie verwendet werde, um Drogen salonfähig zu machen. Auch die abgespeckte Version der Cannabislegalisierung sei in seinen Augen medizinisch und pharmazeutisch nicht vertretbar.

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) begrüßte das Eckpunktepapier der Regierung. Das zweistu­fige Modell sei ein erster Schritt auf einem langen, aber sinnvollen Weg. Internationale und europarechtliche Fragestellungen könnten in der Zwischenzeit gelöst werden. Das Ziel müsse BvCW zufolge weiterhin ein regulierter, kontrollierter und legaler Markt bleiben. „Wir begrüßen die angekündigte Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz“, sagte BvCW-Geschäftsführer Jürgen Neumayer.

Das ermögliche auch Fortschritte in den Bereichen Nutzhanf, Medizinalcannabis und bei der rechtlichen Klar­stellung von CBD-Produkten. „Wir freuen uns zudem, dass die Bundesregierung bei weiteren EU-Mitgliedstaa­ten für eine Flexibilisierung und Weiterentwicklung des EU-Rechtsrahmens wirbt und hoffen auf entsprechen­de Reformen. Als Cannabiswirtschaft werden wir weiterhin gerne die Bundesregierung und den Gesetzgeber bei den durch die Bundesminister Lauterbach und Özdemir angekündigten ,großen Schritten' unterstützen.”

cmk/dpa/afp

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