Diabetesgesellschaft kritisiert Bewertungsverfahren für neue Arzneimittel
Berlin – Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) hat ihre Kritik am Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) und damit am Bewertungsverfahren für neue Arzneimittel erneuert. Anlass ist, dass sich GKV-Spitzenverband und Medikamentenhersteller auf Preise für DPP-4-Hemmer, also Gliptine, geeinigt haben. „Die DDG befürwortet die neue Einigung – kritisiert jedoch das Bewertungsverfahren“, hieß es aus der Fachgesellschaft.
Konkret geht es um die Wirkstoffe Sitagliptin und Saxagliptin. Sie hemmen das Enzym Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4), das die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 (Glucagon-like peptide-1) verlängert. „Die Medikamente spielen eine große Rolle bei Patienten mit Typ-2-Diabetes“, sagte Dirk Müller-Wieland, Präsident der DDG. Die Präparate hätten sich seit zehn Jahren in der Praxis bewährt. Gegenüber Sulfonylharnstoffen hätten sie beispielsweise den Vorteil, kein Hypoglykämierisiko hervorzurufen.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte Sitagliptin zuletzt im Herbst 2016 bewertet. Sitagliptin kann mit Metformin und je nach Indikation mit weiteren Wirkstoffen kombiniert werden, insbesondere mit Insulin und Sulfonylharnstoffen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte daher für das Monopräparat fünf und für die Fixkombination drei Fragestellungen unterschieden und zweckmäßige Vergleichstherapien festgelegt, die aus Sulfonylharnstoffen, Metformin, Humaninsulin und Kombinationen dieser Wirkstoffe bestehen.
Laut IQWiG ist ein möglicher Zusatznutzen der Sitagliptin-Monotherapie gegenüber den Sulfonylharnstoffen Glibenclamid oder Glimepirid nicht belegt. Auch die Vergleichsdaten zu den übrigen Therapien überzeugten die IQWiG-Wissenschaftler nicht. Nur für die freie und die fixe Kombination von Sitagliptin und Metformin sehen sie Anhaltspunkte für einen teils nicht quantifizierbaren, teils beträchtlichen Zusatznutzen gegenüber Sulfonylharnstoffen.
Nach der Preiseinigung zu Sitagliptin und Saxagliptin und deren Fixdosiskombinationen können die Präparate laut DDG sicher weiter verordnet werden. Wäre es zu einer Marktrücknahme gekommen, hätten laut der Fachgesellschaft bis zu 1,5 Millionen Patienten auf andere Medikamente ausweichen müssen.
„Die Aussagekraft von solchen AMNOG-Verfahren ist missverständlich und kann Ärzte, die Öffentlichkeit und vor allem Patienten verunsichern“, sagte Baptist Gallwitz, Pressesprecher der DDG. Wenn das IQWiG im Auftrag des G-BA ein neues Medikament nach einem möglichen Zusatznutzen beurteile, werde nicht der Effekt und die Sicherheit eines Medikaments geprüft, sondern lediglich ein Rahmen für die anschließenden Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und pharmazeutischen Herstellern festgelegt, so Gallwitz.
„Wird – wie im aktuellen Fall – ein nicht vorhandener Zusatznutzen postuliert, bedeutet das nicht, dass ein Medikament schlecht ist oder schlecht wirkt. Es wurde lediglich festgelegt, dass dieses Medikament keine Vorteile gegenüber einer (preiswerten) Vergleichssubstanz bietet“, sagte der DDG-Pressesprecher. Nach seiner Einschätzung könnten viele Patienten bei solchen Entscheidungen jedoch fälschlicherweise von einer nicht vorhandenen oder zu geringen Wirksamkeit des Medikaments ausgehen.
Künftig soll der G-BA seine Beschlüsse für die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel so aufbereiten, dass sie in der Praxissoftware abgebildet werden können. Welche Informationen genau in der Praxissoftware abgebildet werden, soll das Bundesgesundheitsministerium in einer Rechtsverordnung regeln.
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