G-BA sieht bei Gliptinen mehr Risiken als Nutzen

Berlin – In der mit Spannung erwarteten neuen Nutzenbewertungen der Wirkstoffe Saxagliptin und Sitagliptin als Einzelpräparat und jeweils als Kombinationspräparate mit Metformin hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nur beim Sitagliptin-Monopräparat einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen festgestellt. Von einer „Verunsicherung für Ärzte und Patienten“ sprach der Hersteller von Onglyza (Saxagliptin) und Komboglyze (Kombinationspräparat aus Saxagliptin und Metformin), AstraZeneca.
Die Gliptine sind für bestimmte Erwachsene mit Diabetes mellitus vom Typ 2 zugelassen, bei denen Ernährungsumstellung und Bewegung einen erhöhten Blutzuckerspiegel allein nicht ausreichend senken. Die Wirkstoffe hemmen das Enzym Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4), welches für den Abbau des Hormons Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) verantwortlich ist. GLP-1 wiederum regt die Freisetzung von Insulin an und hemmt die Sekretion von Glucagon. Gliptine regen also bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 die Insulinproduktion an. Zu den Gliptinen gehören neben den Wirkstoffen Saxagliptin und Sitagliptin auch Linagliptin und Vildagliptin.
Die Monopräparate von Saxagliptin und Sitagliptin und die Fixkombinationen mit Metformin hatten bereits 2013 frühe Nutzenbewertungen durchlaufen. Der G-BA fasste damals befristete Beschlüsse, weil die Ergebnisse von Langzeitstudien für Saxagliptin und Sitagliptin mit jeweils etwa 15.000 Patienten noch nicht vorlagen. „Leider zeigten die Studienergebnisse nun – entgegen aller Erwartungen – keine positiven Ergebnisse hinsichtlich der kardiovaskulären Endpunkte und in der Gesamtmortalität. Gegenüber der Behandlung mit den etablierten Standardtherapien zeigten die Studien hingegen sogar Risikosignale: In Hinblick auf Herzschwäche für Saxagliptin und hinsichtlich Netzhauterkrankungen für Sitagliptin“, erläuterte Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA.
Der G-BA sieht für Sitagliptin als Monopräparat dennoch einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen. Wegen der Unsicherheiten bezüglich der aufgetretenen Retinopathien und noch fehlender Daten zu Hypoglykämien in der kardiovaskulären Langzeitstudie hat der G-BA die Geltungsdauer des Beschlusses aber erneut befristet.
Saxagliptin hat der G-BA aufgrund der Herzinsuffizienzgefahr bei Diabetespatienten keinen Zusatznutzen ausgesprochen. Bei der ersten Nutzenbewertung im Herbst 2013 hatte der G-BA noch einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen gesehen.
Auch die beiden Kombinationspräparate mit Metformin fielen durch: „Es gab in den Dossiers keine Studienauswertungen, die die speziellen Anwendungsvoraussetzungen der Kombinationspräparate adäquat berücksichtigen. Ein Zusatznutzen gilt für beide Kombinationspräparate als nicht belegt“, teilte der G-BA mit.
Etwa 145.000 Typ-2-Diabetiker, die derzeit effektiv mit Onglyza und Komboglyze behandelt werden, würden durch die G-BA-Beschlüsse massiv und unnötig verunsichert, sagte Julia Büchner, Vice President Pricing and Market Access bei AstraZeneca Deutschland. Das Unternehmen hätte sich gewünscht, „dass der G-BA seine Beschlüsse auf einer breiteren Entscheidungsbasis trifft und dabei die vorliegende Evidenz von Saxagliptin angemessen bewertet“, so Büchner. Sie betonte, AstraZeneca werde nun Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband führen. Onglyza und Komboglyze blieben daher zunächst voll verordnungs- und erstattungsfähig.
Die Fachgesellschaft hatte sich bei der ersten Nutzenbewertung 2013 stark für die Medikamente eingesetzt: „Diese Medikamentengruppe, mit der derzeit über 650.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes in Deutschland behandelt werden, führt seltener zu Unterzuckerungen und hilft den Patienten, ihr Gewicht zu halten oder sogar etwas abzunehmen“, schrieb die Deutsche Diabetes Gesellschaft im Vorfeld der 2013er-Entscheidung.
Aus ihrer Sicht – also jener der DDG – hätten die DPP-4-Inhibitoren gerade gegenüber den sonst sehr häufig gebräuchlichen Sulfonylharnstoffen den Vorteil, dass sie sehr viel seltener Hypoglykämien hervorriefen und nicht zu einer Zunahme des Körpergewichts führten. Sie könnten außerdem viel sicherer dosiert werden und seien auch bei eingeschränkter Nierenfunktion einsetzbar.
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