Politik

Diabetesversorgung in allen stationären Versorgungsstufen mitdenken

  • Freitag, 3. März 2023
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Berlin – Um die Versorgung der rund 8,7 Millionen Diabetespatienten in Deutschland mit der geplanten Kranken­hausreform sicherzustellen, hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) einen Fünf-Punkte-Plan aufgestellt.

Erstens sollten ähnlich wie bei Stroke Units auch Diabetes Units in den Krankenhäusern eingerichtet werden. Zweitens müssten qualifizierte und zertifizierte Diabetesbehandlungen nach einer Reform auf allen Versorgungs­stufen mitgedacht werden.

„Diabetes droht, entweder ganz vergessen zu werden oder eine Verbannung auf den untersten Level der Versor­gung“, betonte Fritsche gestern Abend bei einem parlamentarischen Abend der DDG.

Die DDG forderte als dritten Punkt eine ausreichende Finanzierung, um Krankenhäuser mit Diabetesbehand­lungs­strukturen mit Zuschlägen entsprechend abzusichern. Kliniken ohne eine solche Expertise sollten Ab­schläge leisten.

Viertens brauche es für vulnerable Gruppen, wie Kinder oder multimorbide ältere Patienten zudem eine aus­kömmliche Kostendeckung, da diese Gruppen besondere Pflege und zeitintensive ärztliche Be­treuung benötigen. Fünftens forderte die DDG ein verpflichtendes Diabetesscreening (HbA1c) und Management in den Notaufnah­men und Stationen der Krankenhäuser.

Die Notwendigkeit der besseren Versorgung von Diabetespatienten liege einerseits in der weiterwachsenden Pa­tientenzahl. Bis 2040 werden in Deutschland der DDG zufolge etwa 12,3 Millionen Menschen an Diabetes er­krankt sein. Das größere Problem sei aber, dass die Patientinnen und Patienten im stationären Sektor oftmals nicht richtig versorgt würden, betonte der Vizepräsident des DDG, Andreas Fritsche gestern beim parlamentari­schen Jahresempfang der DDG.

Mit der Hauptdiagnose Diabetes kommen jährlich zwar nur etwa ein Prozent der gesamten Patienten ins Kran­ken­haus, erklärte. Allerdings habe jeder fünfte Patient (rund 18,8 Prozent) aller Krankenhauspatienten über 20 Jahre, die ins Krankenhaus aufgrund einer anderen Hauptdiagnose kommen, einen Diabetes.

„Wir haben rund drei Millionen stationäre Diabetesfälle pro Jahr. Davon werden aber 83 Prozent, also rund 2,5 Millionen Fälle in Kliniken behandelt, die keine Diabetesqualifikation haben. Das wird gefährlich für die Patien­ten“, betonte Fritsche. Den Patientinnen und Patienten werde bei der stationären Aufnahme oft die Insulinpumpe weggenommen oder das Insulin werde verwechselt, berichtete Fritsche.

Die geforderten Diabetes Units müssten keine umfangreiche Ausstattung vorweisen, aber es bräuchte dringend eine Gruppe von Behandlern wie etwa Diabetologen und Diabetesberater, die zusammenarbeiten und über die Erkrankung und Behandlung Bescheid wissen, erläuterte Fritsche. „Wir befürchten, dass Diabetesbehandlungen lediglich im untersten Level der Krankenhausversorgung angesiedelt werden“, so der Diabetologe. Damit drohe eine Unterversorgung in den geplanten Leveln zwei und drei.

Ambulante Ressourcen auch im stationären Bereich nutzen

Auch den ambulanten Sektor müsse die Krankenhausreform mitdenken, forderte der Diabetologe und DDG-Vor­stand Tobias Wiesner. Im ambulanten Bereich seien in den vergangenen Jahren schon entsprechende strukturelle, personelle und technische Ressourcen in der Diabetologie geschaffen, diese Expertise müsste stärker auch im stationären Kontext miteingebunden werden. „Binden Sie uns Vertragsärzte ein“, lautete seine Forderung an die Politik.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Heike Baehrens, versprach, dass das Thema Diabetes bei der Krankenhausreform mit einbezogen werde. Sie halte die Anregung der DDG für wertvoll, Diabe­tesexpertise über alle Versorgungsstufen hinweg einzubeziehen.

Allerdings betonte Baehrens auch, dass die Bund-Länder Arbeitsgruppe, die zurzeit die Krankenhausreform er­arbeitet, bereits guten Willen zeige und gemeinsam eine qualitätsorientierte Modernisierung der Krankenhaus­strukturen angehe. Deshalb forderte sie die Akteure der Selbstverwaltung gestern Abend auf, sich mit Warnungen vor dem Zusammenbruch der Versorgungsstrukturen zurückzuhalten.

Neben den Versorgungsstrukturen müsse das Augenmerk aller auch stärker auf der Gesundheitsprävention liegen, um weiteren Diabeteserkrankungen vorzubeugen, sagte Baehrens. Die Ampelregierung werde demnach stärker auf Prävention setzen und habe etwa den runden Tisch Bewegung ins Leben gerufen.

Zudem wolle die Ampelkoalition einen nationalen Präventionsplan auf den Weg bringen, um Bewegungsmangel, Fehlernährung und Übergewicht zu bekämpfen. „Ein gesunder Lebensstil ist der beste Schutz gegen Typ-2-Dia­betes“, bekräftigte Baehrens.

Weniger, dafür besser ausgestattete Krankenhäuser helfen auch der Diabetologie

Der Gesundheitsökonom Reinhard Busse, Mitglied der Regierungskommission Krankenhaus, die im Dezember 2022 Empfehlungen für eine grundlegende Reform der Krankenhauslandschaft vorgelegt hat, betonte, dass die ge­plante Reform auch der Diabetologie helfen werde. Denn von den aktuell rund 1.700 Klinikstandorte hätten rund 900 weniger als 200 Betten. „Dass diese kleineren Häuser keine Diabetologen haben, wundert mich nicht“, sagte Busse. Deshalb brauche es stattdessen weniger, aber bessere Krankenhäuser, die mit entsprechendem Personal und benötigten Ressourcen ausgestattet sind. Es sei zudem gut, dass die Fachgesellschaften nun ihre jeweiligen Zahlen auf den Tisch legen, sagte Busse. Diese müssten bei der Reform mitberücksichtigt werden.

Zu den geäußerten Hoffnungen der Diabetologen auf stärkere finanzielle Zuwendungen erklärte Busse aller­dings: „Die Forderung nach mehr Geld kann man knicken.“ Deutschland gebe mit 13 Prozent des Bruttoinland­produktes mehr Geld für Gesundheit aus als jedes andere Land in der Europäischen Union.

Deswegen gehe es jetzt um eine Umverteilung insbesondere weg von den Fallpauschalen hin zu den Vorhalte­budgets, die wiederum zu einer besseren Versorgung und sichereren finanziellen Aufstellung der Krankenhäuser sorgen sollen, erklärte Busse.

cmk

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