Die kanadische Facharztprüfung – Ablauf & EDV-Probleme
Am 29. und 30. September war es soweit: Ich schrieb an diesen beiden Tagen die kanadische Facharztprüfung für das Fachgebiet der Inneren Medizin. Ich hatte mich bereits im Jahr 2017 hierfür angemeldet, doch wegen diverser persönlicher Verpflichtungen immer wieder das Ablegen der Prüfung auf das folgende Jahr verschoben. Nun war es endlich soweit und drei Jahre des Wartens und zwei Monate des Lernens kamen zu seinem Abschluss.
Zur Erinnerung: Ich besitze drei Fachärzte in den USA. Entsprechend meiner Ausbildung bin ich berechtigt die kanadische Facharztprüfung zu schreiben. Diese Prüfung hat normalerweise einen mündlichen und einen schriftlichen Teil, aber wegen der sogenannten COVID-19-Pandemie, hatte man nicht nur die Prüfung vom Frühjahr in den Herbst 2020 verschoben, sondern auch auf den mündlichen Teil verzichtet – stattdessen musste ich eine von einem Chefarzt ausgestellte Äquivalenzbescheinigung einreichen, dass ich „die Fähigkeit besitze und diese aktiv und regelmäßig auch demonstriert habe“ Patienten zu behandeln.
Weiterhin war die Facharztprüfung in diesem Jahr dahingehend anders, dass wir Prüflinge das Examen „online“ schreiben konnten. Das bedeutete, man konnte auf die Anreise an ein kanadisches Testzentrum verzichten – ich hatte mir ursprünglich die mittelgroße Stadt Winnipeg hierfür ausgesucht. Statt also weit zu reisen und mit einer Gesichtsmaske und unter diversen Hygienemaßnahmen die zweitägige Prüfung abzulegen, konnte ich sie von meinem Haus in Sachsen aus, in meiner Küche sitzend, schreiben.
Seit dem 26. August wurden diese Prüfungen geschrieben. Den Anfang hatten die 340 Anwärter für den kanadischen Facharzt in Psychiatrie am 26. und 27. August gemacht, gefolgt von den 205 Anästhesisten am 28. August. Hiernach kam an jedem Wochentag eine weitere Fachrichtung hinzu, seien es die Radiologen, Pathologen, Neurologen, Allgemeinchirurgen und so weiter und so fort.
Den Abschluss bildeten wir (Allgemein-)Internisten am 29. und 30 September als größte Prüfgruppe, und von den angemeldeten 801 Prüflingen hatten sich 728 für eine Prüfung an einem Testzentrum entschieden, während knapp 10 %, 73 um genau zu sein, sich für die Onlineversion entschieden hatten. Ich gehörte zu letzterer Gruppe.
Ich hatte noch nie eine solche Onlineprüfung geschrieben, mich aber schon Wochen vorher mit dem Kauf eines leistungsstarken Laptops und dem Legen eines Kabels, falls mein WLAN ausfiel, vorbereitet. Die Systemprüfungen hatte ich mehrmals auf meinem Rechner laufen lassen um sicherzugehen, dass mein Laptop wirklich kompatibel sei, wie ich auch alle gängigen Internetzugangsprogramme wie Firefox oder Chrome heruntergeladen und aktualisiert hatte.
Endlich war es soweit, der 29. September war gekommen, und ich setzte mich nachmittags um 15:40 Uhr deutscher Uhrzeit an meinen Laptop. Das entsprach der kanadischen Uhrzeit in Winnipeg von 8:40 Uhr – meine Prüfung begann um 9 Uhr, aber ich durfte mich schon 15 Minuten vorher einloggen. Das tat ich und klickte auf den Knopf um die Prüfung zu beginnen.
Wenig überraschend musste ich noch etwas warten, denn ich war zu früh dran; doch selbst um 8:45 Uhr ging nichts. Ich schloss das Programmfenster und öffnete es in einem anderen Browser – auch hier ging es nicht weiter. Ich klickte und klickte und dann, aus mir unklaren Gründen, passierte etwas um 8:47 Uhr und ich kam ins nächste Prüfungsfenster.
Hier wartete dann die nächste Überraschung auf mich: Ein Programm musste erst noch installiert werden. Trotz eines leistungsstarken Rechners und einer sehr guten Internetverbindung dauerte das einige Minuten. Ich begann nervös zu werden.
Sicherlich kennen das die Leser: Plötzlich schließt sich das Installationsfenster von alleine, aber nichts tut sich. Das passierte nämlich bei mir und auch der nächste Prüfungsknopf versagte, mein Klicken brachte also nichts. Es war 8:51 Uhr in Kanada. Waren die Programme nicht kompatibel? Wieso klappte das Programm nicht? Im zwei Wochen vorher mir zugeschickten zehnminütigen Vorbereitungsvideo war all das nicht vorgekommen. Was sollte ich tun?
Ich zog meinen Ersatzlaptop heraus (vielleicht eine Inkompatibilität?), holte mein US-Telefon hervor und suchte auf dem ursprünglichen Laptop nach Kontaktmöglichkeiten. Wieso dauerte das bloß alles so lange? Wo konnte ich anrufen bzw. mich melden? Endlich, 8:54 Uhr – die Prüfung begann um 9 Uhr, ich lief Gefahr zu spät zu beginnen – fand ich den „wie kontaktiere ich jemanden bei Fragen“-Teil.
War das beginnende Panik in mir? Innerlich fluchte ich über mich, weil ich die dringende Ermahnung, „maximal eine Stunde von meinem Testzentrum“ entfernt zu sein, „falls es EDV-Probleme gebe“, nicht beachtet hatte. Ich hatte auf diese Vorsichtsmaßnahme verzichtet, konnte also zur Not nicht die Prüfung analog ablegen, saß nun in Westsachsen und mein Testzentrum war mehr als elf Flugstunden entfernt.
Ich rief die angegebene Telefonnummer an, landete aber in einer Warteschleife. Was für manche eine beruhigende Wartemusik war, irritierte mich höchstgradig. Parallel dazu öffnete ich ein Chatfenster, gab meine Daten ein und kam ebenfalls in eine Warteschleife. Endlich, 8:58 Uhr, irgendein Ryan antwortete mir via Chatnachricht. Am Telefon noch immer die Warteschleife, also legte ich auf und konzentrierte mich auf Ryan.
Er fragte mich die Sicherheitsfragen: Wer bin ich? Wann bin ich geboren? Was ist mein Liebelingseis? Wie heißt mein ältestes Kind mit zweitem Vornamen? Ach, diese dummen Fragen, können wir nicht direkt zur Sache kommen? Aber natürlich beantwortete ich sie.
Danach ging alles sehr schnell und der Mitarbeiter konnte mir helfen. Er schickte mir eine Verknüpfung zu, mit der ich ein Internetfenster öffnete und ein weiteres Programm herunterladen konnte.
Es war mittlerweile 9:02 Uhr in Kanada und die Prüfung hatte also seit zwei Minuten begonnen. Doch hiernach ging alles problemlos: Ich konnte das eigentliche Prüfungsfenster aufmachen und wurde mit einem mit starken indischen Akzent sprechenden und gelangweilt dreinblickenden Mann verbunden.
Was nun geschah, hatte ich schon im Vorfeld mehrmals in einem Übungsvideo gesehen: Ich beantwortete die nächsten Sicherheitsfragen, zeigte diesem Mann meinen Ausweis via der Webkamera und zeigte ihm dann das „Prüfungszimmer“, also meine Küche. Er mußte jede Ecke des Zimmers aber auch des Tisches sehen, wollte versichert haben, dass niemand anwesend sei und ich keine Möglichkeit zu schummeln habe.
9:06 Uhr, endlich konnte ich das Examen beginnen. Am Anfang störte es mich noch, dass dieser Mann mir beim Beantworten der Fragen zuschaute, mich also ständig überwachte und beobachtete, aber spätestens ab der zehnten Prüfungsfrage nahm ich ihn gar nicht mehr wahr. Die Patientin in der Frage hatte eine diabetische Ketoazidose – wie behandele ich sie nochmals am besten? So ging ich dann Frage um Frage durch, das Programm klappte, die Internetverbindung hielt ohne Unterbrechung stand und nach etwas weniger als drei Stunden war ich pünktlich mit der Prüfung und einer Durchsicht fertig.
Ich gab dann um 11:57 Uhr, also 18:57 Uhr mitteleuropäischer Zeit, die Prüfung ab und erledigte noch einige kleine Formalitäten mit dem noch immer gelangweilt dreinblickenden Überwachungsangestellten.
Am zweiten Prüfungstag klappte dann alles problemlos. Abends schickte das „königliche Ärzte- und Chirurgenkolleg Kanadas“, wie die die Facharztprüfung organisierende Behörde heißt, noch eine Nachricht an alle Teilnehmer. Hierin gratulierte sie zum Abschluss des Examens und damit aller Facharztprüfungen und zog ein positives Resumée: Es habe „keine EDV-Probleme“ gegeben, alles habe geklappt. Nun gut, für mich hat sich das etwas anders angefühlt, aber Ende gut, alles gut, oder?
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