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Die WHO wird 75: Die nächste Pandemie kommt bestimmt

  • Donnerstag, 6. April 2023
/shaadjutt36, stockadobecom
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Genf – Experten sind sich sicher: Die nächste Pandemie kommt bestimmt. Aber auch Ebola, Aids, Malaria, Cholera und Antibiotikaresistenzen bedrohen die Gesundheit von Millionen Menschen. Wie die Welt auf sol­che Krisen reagiert, hängt maßgeblich davon ab, ob Staaten, Gesundheitssysteme und Wissenschaft zusamm­en­arbeiten. Garantieren soll das die Weltgesundheitsorganisation WHO, die morgen ihren 75. Geburtstag feiert.

Eine fast unlösbare Aufgabe. Denn die Organisation, die ihren Hauptsitz in Genf hat, hat keine Durchgriffs­rechte gegenüber den 194 Mitgliedsstaaten. Sie ist auf Kooperation angewiesen. Ziel der WHO mit ihren derzeit 8.000 Mitarbeitern ist es, „allen Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen“.

Zentrale Aufgaben sind die Bekämpfung von Epidemien, die Stärkung der Gesundheitssysteme, die Initiierung von Impfkampagnen sowie Aufklärung, Ausbildung und Forschung. Wenn irgendwo auf der Welt eine Seuche ausbricht, sollen in Genf die Fäden zur Bekämpfung zusammenlaufen.

Ausrottung der Pocken einer der größten Erfolge

Eine verheerende Choleraseuche mit 10.000 Toten 1947 in Ägypten gab den Anlass für die Gründung der WHO. Als erster Erfolg gilt die flächendeckende Behandlung der Tropenkrankheit Frambösie, an der in den 1950er-Jahren Millionen Menschen erkrankten und die zu schweren Behinderungen führt. 300 Millionen Menschen wurden mit Penizillin versorgt.

Als größter Erfolg der bisherigen WHO-Geschichte gilt die Ausrottung der Pocken. 1967 startete das Impf­programm, zehn Jahre später trat der weltweit letzte Pockenfall in Somalia auf. Ähnliches wollte die UN-Or­ganisation bei der Kinderlähmung erreichen. Die Impfkampagne begann bereits 1988. Doch Polio erweist sich als hartnäckiger Gegner. Derzeit feiert das Virus ein überraschendes Comeback.

Mit der Zeit wuchs das Aufgabenspektrum der WHO: Ihr geht es nicht allein darum, Krankheiten zu verhin­dern, sondern auch Gesundheit zu fördern und die Eigenverantwortung der Menschen zu stärken. Überge­wicht, Rauchen und Alkohol wurden als Gesundheitsrisiken benannt. Warnhinweise auf Zigarettenverpa­ckungen gehen auf eine WHO-Kampagne zurück.

Tiefpunkt Ebolausbruch in Westafrika

Zum Fiasko wurde der Ausbruch des Ebolafiebers in Westafrika 2014. Monatelang spielte die WHO Warnungen von Hilfsorganisationen herunter, bis die Epidemie aus dem Ruder lief. Mehr als 10.000 Menschen starben. Experten kritisierten eine unzureichende Kommunikation zwischen Regionen und Zentrale der WHO, man­geln­de Prioritätensetzung, Interessenkonflikte und die Abhängigkeit von Geldgebern. Der Exekutivrat der WHO sagte grundlegende Reformen zu.

Umstritten war auch der Umgang mit der Coronapandemie: Kritiker, unter ihnen US-Präsident Donald Trump, warfen der WHO und ihrem Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, einem Biologen und Immunologen aus Äthiopien, vor, unter der Kontrolle der chinesischen Regierung zu stehen. Auch die Verteilung des Impf­stoffs sorgte für Debatten.

Ein Problem der WHO ist die Finanzierung und die Abhängigkeit von ihren Geldgebern. Ihr Etat für die Jahre 2022 und 2023 beläuft sich gerade mal auf 6,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Allein die Berliner Charité hat einen Jahresetat von 1,2 Milliarden Euro.

Größter Geldgeber sind die USA, gefolgt von Großbritannien und Deutschland, aber auch die Stiftung von Bill und Melinda Gates sowie die Impfallianz Gavi. Trump aber verkündete für 2021 den Austritt aus der WHO. Sein Nachfolger Joe Biden hat diesen Schritt wieder zurückgenommen.

Zwischen den Stühlen

Kein Wunder, dass die WHO immer wieder zwischen allen Stühlen sitzt. Regelmäßig gerät sie unter Druck, wenn sie versucht, Standards oder Empfehlungen zu erarbeiten, die den Wirtschaftsinteressen der Geldgeber­staa­ten schaden.

Welche Gratwanderung bisweilen nötig ist, zeigt sich auch derzeit: Mit einem Reformprogramm will die Organisation Konsequenzen aus der Coronapandemie ziehen. Staaten sollen Infektionsfälle künftig schneller melden müssen, die WHO soll mehr Befugnisse beim Erklären von Notlagen erhalten, und WHO-Experten sollen sich einfacher vor Ort ein Lagebild verschaffen dürfen. Querdenker und Verschwörungsgläubige wittern darin eine neue Weltverschwörung und ein Aushöhlen nationaler Souveränität.

kna

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