Digitalgipfel: Merkel ruft zur Nutzung von Big-Data-Chancen auf

Ludwigshafen – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Unternehmen in Deutschland aufgerufen, die Verfügbarkeit von großen Datenmengen für die Entwicklung neuer Produkte und Anwendungen zu nutzen. Im Gesundheitswesen wie in anderen Bereichen werde es „große neue Wertschöpfungsmöglichkeiten“ geben, sagte die Regierungschefin heute auf dem Digitalgipfel in Ludwigshafen.
Diese müssten vom Mittelstand klug genutzt werden. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Anbieter von großen Plattformen „die Wertschöpfungskette anknabbern“. Zu solchen Anbietern gehören große Internet-Unternehmen in den USA wie Google und Facebook. Bei der Entwicklung von Big-Data-Anwendungen müsse stets der Datenschutz beachtet werden, sagte Merkel. Wenn die neue Datenschutzverordnung der EU im Frühjahr 2018 in Kraft trete, sei eine „Informationsoffensive“ nötig, „um zu zeigen, welcher neue Rechtsrahmen in Zukunft gelten wird“.
Telemedizin als Lebensretter
Merkel ließ sich heute beim Digitalgipfel Anwendungsmöglichkeiten der Digitalisierung und Telemedizin zeigen. Unter anderem informierte sie sich über ein Überwachungssystem für Intensivstationen, etwa für Patienten mit einer Sepsis. Dieses System der Telemedizin könne Leben retten, erklärte ihr der Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin in Aachen, Gernot Marx. Die Hilfe von zugeschalteten Experten könne die Sterblichkeit von Patienten mit einer Blutvergiftung um mehr als 25 Prozent verringern.
In der Live-Schaltung zeigte der Professor, wie die auf der Intensivstation in Jülich erfassten Patientendaten ausgewertet werden. „Pro Stunde fallen für einen Patienten 1.000 Daten an“, erklärte Marx, der auch Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin ist. Es sei unmöglich, das alles in einem Krankenhaus vor Ort im Blick zu haben. Mit dem System „Thalea“ könnten Experten der Uniklinik in Aachen ihren Kollegen in anderen Krankenhäusern zur Seite stehen. „Wir sind über 24 Stunden jede Sekunde bei dem Patienten.“
Gesetzliche Grundlagen notwendig
Zurzeit wird „Thalea“ in einem Pilotprojekt erkundet. Wenn das System bundesweit ausgerollt werde, gebe es auch neue Möglichkeiten, um Therapien effizienter zu gestalten, sagte Marx. Bei jährlich mehr als zwei Millionen Patienten auf Intensivstationen gebe es Unmengen von anfallenden Daten, die gezielt und anonymisiert ausgewertet werden könnten. „Dann können wir etwa bei einer Blutvergiftung sagen, ob ein bestimmtes Medikament wirkt oder nicht“, erläuterte Marx. Aber dafür brauche es eine klare gesetzliche Grundlage.
Die Entwicklung solcher Big-Data-Anwendungen stößt vielerorten auf Datenschutzbedenken, auch wenn die Daten anonymisiert ausgewertet werden. „Es wird eine Fülle neuer ethischer Fragen geben, die sich erst jetzt durch die Qualität der Digitalisierung ergeben“, sagte die Geschäftsführerin der Initiative D21, Lena-Sophie Müller. Angesichts zunehmender Interaktionen zwischen Mensch und Maschine sei eine Debatte nötig, „wie wir das als Gesellschaft gestalten wollen“. Als Beispiel nennt sie Assistenzroboter in Pflegeheimen.
Auch Bewohner auf dem Land können mit den Möglichkeiten der Telemedizin auf hohem Niveau versorgt werden. „Die Menschen brauchen keine Angst zu haben, dass sie auf dem Land keinen Arzt bekommen“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, als sie sich vor der Kanzlerin die Präsentationen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen anschaute.
Die Chancen der Digitalisierung können nur genutzt werden, wenn überall das schnelle Netz für die Verbreitung der Daten verfügbar ist. Nicht nur auf die Bandbreite kommt es dabei an, also auf die Menge der übertragenen Daten je Sekunde. Nötig sei der Aufbau intelligenter Netze mit schnellen Reaktionszeiten, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der Bund werde 20 Milliarden Euro bereitstellen, um bis 2023 den Aufbau von Gigabit-Netzen zu unterstützen.
Dabei wäre man gerade auf dem Land froh, die bis 2018 versprochenen Anschlüsse mit einer Bandbreite von 50 Megabit pro Sekunde zu bekommen. Zurzeit werde dieser Ausbau im ganzen Bundesgebiet vorangetrieben, erklärte die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab (SPD). „Wir geben Druck in die Pipeline und versuchen, das Ziel zu erreichen.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: