Diskussion um Schadstoffe geht noch lange nicht die Luft aus

Mannheim/Berlin – Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) hat sich in die aktuelle Diskussion zum Gesundheitsrisiko von Luftschadstoffen eingeschaltet. Dem DZL lägen derzeit keinerlei belastbare neue Erkenntnisse vor, die dazu Anlass geben würden, den von der WHO festgelegten Richtwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gegenwärtig nach oben zu korrigieren, hieß es dazu auf der DZL-Jahrestagung in Mannheim.
Laut DZL orientiert sich der in Deutschland geltende Grenzwert an den Richtwertempfehlungen der WHO, berücksichtigt aber auch zusätzliche Faktoren wie etwa die technische Realisierbarkeit. Es sei eine politische Entscheidung, welche Maßnahmen in welchem Umfang und in welcher zeitlichen Abfolge ergriffen würden, um regionalen Überschreitungen der Grenzwerte zu begegnen. „Selbstverständlich muss hierbei die Verhältnismäßigkeit der Mittel im Auge behalten werden“, sagten die Lungenforscher.
Sie stellten zudem fest, dass in der gegenwärtigen Stickoxiddiskussion wissenschaftspopulistische Aussagen eine rasante mediale Aufwertung erfuhren hätten. Das „klassische“ Reaktionsmuster der Wissenschaft, Bevölkerung und Entscheidungsträgern, wohlüberlegte und ausgewogene Stellungnahmen in ausgesuchten Publikationsorganen anzubieten, sei demgegenüber vollkommen ins Hintertreffen geraten. „Es wird zu überlegen sein, wie die betroffenen Wissenschaftsorganisationen diesem Phänomen in Zukunft besser vorbereitet begegnen können, da politische Entscheidungen auf dem Boden solider wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden sollten“, verwiesen die Lungenspezialisten.
Darüber hinaus ist heute bekannt geworden, dass die Stellungnahme einiger Lungenfachärzte zu Gesundheitsrisiken durch Luftschadstoffe mehrere Zahlen- und Rechenfehler enthält. Die Berliner Tageszeitung taz vom Donnerstag hat berichtet, dass die Initiatoren der Stellungnahme Fehler eingeräumt haben. Demnach seien die Lungenärzte beim Vergleich mit der Schadstoffbelastung durch Rauchen von falschen Ausgangswerten ausgegangen, außerdem seien Umrechnungen fehlerhaft.
Dieter Köhler, Initiator und Wortführer der Kritik, reagierte mit einer Ergänzung zu der Stellungnahme, die einige der vorgeworfenen Fehler berichtigt. „Insgesamt ändern diese kleinen Korrekturen natürlich nichts an der Gesamtaussage, dass die sogenannten Hunderttausenden von Toten durch Feinstaub und NO2 sowie die daraus verursachten Krankheiten in Europa nicht plausibel sind“, teilte Köhler mit.
In der vor gut drei Wochen veröffentlichten Stellungnahme hatten rund 130 Lungenärzte um Köhler behauptet, die geltenden Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub seien wissenschaftlich nicht hinreichend begründet. Obwohl nur ein Bruchteil der insgesamt 3.800 angefragten Fachleute das Papier unterzeichnet hatte, löste die Stellungnahme eine breite öffentliche Debatte aus. Während Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Initiative begrüßte und eine „ganzheitliche Sichtweise“ anmahnte, wiesen das Bundesumweltministerium und die Grünen die Kritik der Lungenärzte zurück.
Auch von Fachkollegen ernteten die Lungenärzte Widerspruch: So betonten pneumologische Fachgesellschaften und Berufsverbände, die Gefährlichkeit von Luftschadstoffen wie Stickoxiden für die Gesundheit sei grundsätzlich gut belegt, die Grenzwerte begründet.
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