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Diskussion um Studie zu forciertem Schwimmtest

  • Donnerstag, 25. Juli 2024
/Kirill Kurashov, stockadobecom
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Berlin – Der forcierte Schwimmtest (forced swim test) ist für Versuchstiere eine Belastung. Aber wie hoch diese durch den Test, der aus den 1970er-Jahren stammt, ist, ist unklar. Eine Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), die das untersuchen wollte, steht nun in der Kritik von Tierschützern. Die Forscher weisen die Anschul­digungen zurück.

Der Verein Ärzte gegen Tierversuche hatte sich entsetzt über den forcierten Schwimmtest an Ratten gezeigt und ihre Förderung aus Steuergeldern kritisiert. „Diese Versuche sind gleich in mehrfacher Hinsicht skanda­lös“, sagte Johanna Walter, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche.

Sie zeigten, wie ahnungslos Tierversuche durchgeführt und auch genehmigt würden. In den Tier­versuchsan­trägen sei eine Klassifizierung des Leids in Schweregrade erforderlich. „Wenn dies aber erst jetzt erforscht wird, basierten alle bisherigen Genehmigungen auf bloßen Vermutungen,“ so Walter.

Zudem fehlten Belege für die wissenschaftliche Validität des „grausamen Versuchs“. Die „akute Verzweif­lung“ der Tiere habe „nichts mit einer menschlichen Depression gemeinsam und ermögliche keine Aussagen über die Erkrankung“, so die Ansicht des Vereins. Diese Einsicht werde zunehmend von Förderorganisationen und Wissen­schaftlern geteilt.

Walter wies darauf hin, dass der australische Bundesstaat New South Wales im März 2024 das weltweit erste Verbot des forcier­ten Schwimmtests beschlossen habe. Ebenfalls im März habe die britische Regierung ange­kündigt, Maßnah­men ergreifen zu wollen, den Test komplett zu verbieten. Zudem sei er bereits von Pharma­un­ternehmen wie Roche, Abbvie und Pfizer eingestellt worden.

Aus Sicht von Walter ist es angesichts der mangelnden wissenschaftlichen Aussagekraft „vollkommen unver­ständlich“, warum der forcierte Schwimmtest in Deutschland und anderen EU-Ländern überhaupt noch erlaubt ist.

„Dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft solche Versuche, die grausame und sinnlose Tierversuche be­schönigen, auch noch fördert, ist unglaublich. Während der forcierte Schwimmtest in anderen Ländern verbo­ten und von der Pharmaindustrie eingestellt wird, finanziert ihn die DGF – mit unseren Steuergeldern – auch weiterhin,“ kritisierte Walter.

Die DFG verteidigt sich auf Anfrage. „Tatsächlich gibt es derzeit in der Wissenschaft eine kontroverse Diskus­sion über den Einsatz des forced swim tests“, sagte ein Sprecher der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) dem Deutschen Ärzteblatt.

Er betonte, es gebe derzeit keine wissenschaftliche Grundlage für eine objektivierbare Belastungseinschät­zung des Tests. Genau dazu wolle die DFG-geförderte Forschungsgruppe beitragen. Zudem fehle es an wissen­schaftli­cher Evidenz bezüglich der zu verwendenden Verfahren und der Einteilung in Schweregradkategorien.

Die Forschungsgruppe versucht nach Angaben der DFG durch die Identifizierung objektiver Methoden, ein­schließlich klinischer, verhaltensbezogener, physiologischer, biochemischer und bildgebender Parameter, eine evidenzbasierte Belastungsbewertung zu ermöglichen.

„Erst wenn objektivierbare Kriterien zur Belastung vorliegen, können Maßnahmen im Sinne des 3R-Prinzips er­griffen werden, etwa ein Refinement der Versuchsbedingungen oder ein Replacement durch Alternativme­thoden mit vergleichbarer Aussagekraft“, so der DFG-Sprecher.

Denn obwohl die Belastungsbeurteilung gesetzlich vorgeschrieben sei (EU-Richtlinie 2010/63), gebe es „kei­ne klaren Richtlinien, wie sie umgesetzt werden sollte“, teilte das DFG mit.

Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim sei dabei „objektive, klassifizierbare und stan­dar­disierte Parameter zur Bewertung des Schweregrads in Tierversuchsmodellen zu identifizieren“, erläuterte auch ein ZI-Sprecher auf Nachfrage.

Der Test werde derzeit „nicht als schwere, sondern als mittelgradige Belastung eingestuft“. Es lägen aber bis­her kaum objektive Daten für diese Einstufung vor. „Die angesprochene Arbeit zielt deshalb auf eine präzisere Messung des Schweregrads und damit auf die Verbesserung des Tierwohls sowie ethischer Abwägungen.“

Dazu würden bestehende Methoden validiert, verfeinert und mit neuen minimal- und nichtinvasiven Über­wachungstechniken kombiniert. Dadurch sollten verlässliche Empfehlungen für die Bewertung des Schwere­grads von Tierversuchen erarbeitet werden. „Auf diese Weise lässt sich der Schweregrad, dem die Tiere aus­gesetzt sind, minimieren und der Tierschutz verbessern“, so der Sprecher.

Der ZI-Sprecher betonte auch, dass die Tiere im Test, anders als es der Name suggeriere, nicht durchgehend schwimmen müssten. Sie würden auch ohne aktive Bewegung an der Wasseroberfläche treiben und sie ver­blieben „nicht bis zur völligen Erschöpfung im Wasser“.

Ratten schwämen und tauchten auch in ihrem natür­lichen Habitat. „Die Darstellung des Vereins Ärzte gegen Tierversuche ist verzerrt und in Teilen schlicht falsch. Die Vorwürfe, die Tests seien sinnlos und grausam treffen nicht zu.“ Tierversuche seien zudem „nach wie vor eine unverzichtbare Grundlage, um Gehirnmecha­nismen, die psychischen Erkrankungen zugrunde liegen, besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu erforschen“.

may

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