Ebola: Man hätte schon früher prophylaktisch impfen sollen
Köln – Seit Jahren wird an präventiven Impfstoffen und Therapien gegen die Ebola-Erkrankung geforscht. Einige Kandidaten haben sich im Tiermodell als hoffnungsvoll erwiesen, die klinische Prüfung am Menschen steht jedoch aus. Während einige Forscher nun ihren experimentellen Einsatz in Westafrika fordern, werden von anderen ethische Bedenken gegen dieses Vorgehen geäußert. Gestern haben Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sich für den Einsatz von experimentellen Wirkstoffen im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika ausgesprochen.

5 Fragen an Prof. Dr. med. Hans-Dieter Klenk, Direktor emeritus des Instituts für Virologie der Universität Marburg und Mitglied der Leopoldina.
DÄ: Zwei experimentelle, aber doch viel versprechende Ebola-Vakzinekandidaten stehen zur Verfügung. Warum wurden sie nicht direkt im Epidemiegebiet eingesetzt?
Klenk: Von Seiten der WHO und anderen Organisationen, wurde bislang betont, dass diese Vakzinen aus zwei wesentlichen Gründen noch nicht zum Einsatz kamen: man befürchtet im Fall von schweren Nebenwirkungen haftungsrechtliche Probleme; zudem hat man geglaubt, den – zunächst begrenzten – Ausbruch in Westafrika konventionell mit hygienischen Maßnahmen eindämmen zu können. Da dies nicht gelungen ist, kommt es nun zum Umdenken.
DÄ: Die US-Gesundheitsbehörde NIH will nun ja beschleunigt mit Impfstudien an Menschen beginnen...
Klenk: ... das ist leider ein bisschen spät, man hätte schon früher über den eigenen Schatten springen sollen, um prophylaktisch Personen mit hohem Infektionsrisiko, aber auch bereits infizierte Personen therapeutisch zu impfen. Nach Angaben der WHO sind unter den vielen Todesopfern mehr als 60 Pflegekräfte und Ärzte. Das ist traurig angesichts der Tatsache, dass die Möglichkeiten für eine experimentelle Impfung bestanden haben.
DÄ: Der Pharmaindustrie wird vorgeworfen, sich nicht um diese gefährliche Infektionskrankheit gekümmert zu haben, weil sie nicht „lukrativ“ genug sei.
Klenk: Dieses Argument ist so nicht haltbar. Die Entwicklung von Impfstoffen und Therapeutika ging im Ebola-Fall immer von nicht-kommerziellen Forschungseinrichtungen aus, die dabei auch sehr erfolgreich waren. Privatwirtschaftliche Firmen traten in der Regel erst dann auf den Plan, als es darum ging, größere Mengen für die klinische Prüfung und gegebenenfalls für die Anwendung beim Menschen herzustellen. An der Bereitstellung der hierfür notwendigen Mittel, die von der öffentlichen Hand oder von nicht-staatlichen Hilfsorganisationen hätten kommen müssen, hat es gehapert.
DÄ: Ist der Einsatz zum jetzigen Zeitpunkt ethisch vertretbar zumal es Mutmaßungen unter der dortigen Bevölkerung gibt, Afrika werde als Versuchslabor für experimentelle Therapien verwendet?
Klenk: Wenn man als Arzt einen Patienten vor sich hat, der mit 60-70prozentiger Wahrscheinlichkeit sterben wird, wäre es in meinen Augen skandalös, ihn aus Furcht vor eventuellen Nebenwirkungen nicht mit einem vermutlich wirksamen Medikament zu behandeln. Ich hoffe, dass das auch die Bevölkerung der betroffenen Länder versteht, wenn man es ihr gut erklärt.
DÄ: Wer sollte geimpft werden? Es geht um die Zuteilung knapper Ressourcen.
Klenk: Geimpft werden sollten in erster Linie Personen mit hohem beruflichem Expositionsrisiko, das heißt Ärzte und Pflegepersonal. Es ist zu hoffen, dass umgehend so viel Impfstoff bereit gestellt wird, dass zumindest dieser Personenkreis geschützt werden kann.
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