Endometriose: Forschung und Versorgung ausweiten

Berlin – Für eine verbesserte Behandlung von Endometriose-Patientinnen müsse vor allem die ambulante Versorgung ausgebaut werden sowie mehr Grundlagen- und Versorgungsforschung stattfinden. Dafür plädierten gestern Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über Anträge der Unionsfraktion und Linksfraktion.
Um die ambulante Versorgung gewährleisten zu können, brauche es zunächst eine angemessene fachärztliche Vergütung, wie Sylvia Mechnser sagte. „In meiner Sprechstunde brauchen wir pro Patientin 45 bis 60 Minuten, während es in der Niederlassung dafür etwa acht Minuten gibt “, erklärte die Leiterin des Endometriosezentrums der Charité Berlin.
So hätten niedergelassene Gynäkologen nicht genügend Zeit für eine Diagnosestellung, sodass diese immer weiter verschleppt werde. Die lange Zeit von Symptombeginn bis zur Diagnosestellung führe zu einer Chronifizierung der Schmerzen.
„Die Dauer von Symptombeginn zu Diagnose liegt aktuell bei acht Jahren“, berichtete Anja Moritz von der Endometriose-Vereinigung Deutschland. Sie plädierte daher für eine Verbesserung der Fort- und Weiterbildung von medizinischem Personal.
Außerdem brauche es mehr Forschung und Finanzierung multimodaler Therapieansätze: „Neben Gynäkologie gehören Anästhesie, Psychologie aber auch Ernährungsmedizin und Komplementärmedizin dazu", sagte Moritz.
Daneben fehle vor allem an Grundlagenforschung. „Wir haben führende Expertise im Bereich der Grundlagenforschung in Deutschland“, erklärte Moritz. Es fehle jedoch an finanzieller Förderung. Aber auch die Versorgungsforschung müsse vorangetrieben werden.
Thomas Römer, Leiter des Endometriosezentrums am Evangelischen Klinikum Weyertal, hält die Grundlagenforschung zwar ebenfalls für wichtig, betonte aber, dass andere Länder viel weiter seien als Deutschland. Mit den seit kurzem vom Bund bereit gestellten fünf Millionen Euro pro Jahr solle man sich eher auf die Versorgungsforschung konzentrieren.
International vernetzen
Daher müsse man auch den Austausch mit den besten suchen, betonte auch Moritz. „Wir sollten uns auf weltweiter Ebene vernetzen und uns mit den Australiern austauschen, die bereits viele Millionen Euro in die Forschung investiert haben“, erklärte Moritz. Neben Australien sei vor allem Frankreich weit vorne in der Endometrioseforschung.
Australien hat bereits seit 2018 einen nationalen Aktionsplan Endometriose. Ähnliche Pläne haben inzwischen auch viele andere Länder, Deutschland bisher allerdings noch nicht. So gehört ein solcher Aktionsplan zu den zentralen Forderungen der beiden Oppositionsparteien Linke und CDU/CSU.
Menstruationsbeschwerden ernst nehmen
Wichtige Punkte für eine nationale Strategie sind Metzner zufolge neben einer verbesserten Versorgung mit ausreichender Vergütung auch die Aufklärung an Schulen. „Durch die allgemeine Annahme, Menstruationsschmerz sei normal, suchen sich nur etwa 50 Prozent ärztliche Hilfe.“
Mädchen und junge Frauen müssten lernen, dass Menstruationsschmerz ab einem gewissen Grad nicht normal sei. Zusätzlich brauche es eine Anleitung im Umgang damit. Doch auch von ärztlicher Seite werde Menstruationsschmerz häufig nicht ernstgenommen, wie eine Betroffene berichtete, bei der die Zeit von Symptombeginn zu Diagnose zwölf Jahre andauerten.
Menstruationsbeschwerden würden noch immer tabuisiert, sagte Stefan P. Renner von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und Leiter des Endometriosezentrum Böblingen. Es brauche daher entweder strukturierte Aufklärungskampagnen oder Vorsorgeuntersuchungen, die zurzeit noch nicht existierten.
Auch das Arbeitsleben müsse berücksichtigt werden, sagte Moritz. So sollten Arbeitgeber über die Erkrankung aufgeklärt werden und Bedingungen geschaffen werden, die das Arbeitsleben erleichterten. Dazu zähle zum Beispiel eine Home Office Regelung oder andere flexible Arbeitszeitregelungen bei gesicherter Diagnose sowie die Möglichkeit einer telefonischen Krankschreibung.
Grad der Behinderung anerkennen
Ein konkreter Schritt sei zudem, die Endometriose als eine schwerwiegende, lebenseinschränkende Erkrankung anzuerkennen und das auch mit dem Zuspruch eines Grades der Behinderung umsetzen. „Wir haben in vielen Fällen die Erfahrung gemacht, dass Betroffene einen Grad der Behinderung beantragen und diesen nicht adäquat erhalten."
Frauen müssen das oft anwaltlich erkämpfen, obwohl sie ab einem gewissen Grad an Behinderung nicht die Kraft und Energie hätten, sagte Moritz. Sie sprach sich zudem dafür aus, dass auch die Adenomyose als Behinderung anerkannt werden sollte. Zusätzlich forderte sie komplementäre Therapien, wie Phsyio- und Osteopathie, in den Heilmittelkatalog aufgenommen werden.
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